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Colin Cotterill

Titel: Colin Cotterill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Siri und seine Toten
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aus verbranntem Mül . Eine Ratte kroch aus einem Gul y und jagte eine dürre Katze durch das Portal des Ong-Teu-Tempels.
    Früher hatte die Uhrzeit in diesen Straßen keine Rol e gespielt. Die Clubs und Kneipen hatten erst geschlossen, wenn auch der al erletzte Säufer zur Tür hinausgetorkelt war und Huren und Junkies einander gute Nacht sagten…
    Nach der Wende war die Gegend dann vom einen Extrem ins andere gefal en. Siri konnte sich nicht vorstel en, dass es keinen ebenso gefahrlosen wie lustvol en Mittelweg geben sol te.
    Kaum bog er in seine Straße ein, schlugen auch schon die Hunde an. Nach der Stil e des nächtlichen Vientiane war ihm diese Ruhestörung peinlich. Auf der unebenen, ungeteerten Fahrbahn geriet er ein- oder zweimal ins Straucheln. Der Rum hatte ihn buchstäblich ein wenig aus der Bahn geworfen. Er musste sich zusammenreißen, bevor Fräulein Vong ihn von ihrem Beobachtungsposten hinter dem Vorhang aus erspähte. Er ging durch den Vorgarten, wo Saloop ihn knurrend erwartete.
    Der Vorhang zitterte.
    »Gute Nacht, Fräulein Vong.«
    Keine Antwort. Er blickte auf den Hund hinunter. Wenn er sich ein wenig Mühe gab und sich bei dem räudigen Vieh lieb Kind machte, würde sich unter den Kötern der Nachbarschaft viel eicht verbreiten, dass er eigentlich doch gar kein so übler Bursche war.
    Statt dem Hund wie sonst aus dem Weg zu gehen, trat er direkt auf ihn zu.
    Um das Tier nicht zu beunruhigen, stieß er leise Geräusche hervor. Mit jedem Vorwärtsschritt, den Siri machte, wich die verstörte Promenadenmischung einen Schritt zurück. Sie hatte Angst und knurrte immer noch. Dieser Tango endete erst, als Saloop mit dem Hinterteil gegen die Haustür stieß.
    Da er sich nur ungern einen Finger abbeißen ließ, machte Siri eine hohle Hand, als habe er eine Belohnung für den Hund, und hockte sich hin, wie um sie Saloop zu geben. Das Tier fing sofort an zu bel en, und dann ertönte zwei Mal hintereinander ein lautes Krachen, wie das Knal en einer Peitsche. Siri fuhr herum und überlegte, woher das Geräusch gekommen war. Der Hund nutzte die Verwirrung und verdrückte sich in die Gemüsebeete.
    Siri stand auf, sah erst zur stockfinsteren Straße, dann wieder zum Haus. Das einzige Licht kam von einer Gaslampe in einem Fenster im ersten Stock. Er sah nichts als Schatten. Das Geräusch war ihm durch Mark und Bein gegangen, auch wenn er nicht recht wusste, weshalb. Kopfschüttelnd ging er hinein und machte die Tür hinter sich zu.
    Nachdem er geduscht und seinen Wecker auf halb fünf gestel t hatte, ging Siri früh zu Bett. Der muffige Geruch des Kapokkissens war ihm noch nicht in die Nase gestiegen, da schlief er auch schon tief und fest.
    Tran, Tran und Hok gingen mit ihm eine belebte Einkaufsstraße entlang. Sie waren im Westen: ein englischsprachiges Land. Autos und Scharen von hektischen, unwirschen Menschen. Es war Abend, und die Neonlichter ringsum blitzten und strahlten, fügten sich zu Wörtern, die er nicht lesen konnte.
    Die drei Vietnamesen drängten sich um ihn wie Leibwächter um einen korrupten Präsidenten. Immer wenn sich jemand Siri näherte, trat einer der Männer dazwischen und stieß die fragliche Person unsanft beiseite. Obwohl die meisten Menschen doppelt so groß waren wie die zwergenhaften Vietnamesen, setzten sie sich nicht zur Wehr.
    Hin und wieder erkannte Siri einen Passanten und versuchte ihn zu grüßen.
    Freunde aus dem Norden, Kol egen, ja selbst Dtui und Geung kamen ihm entgegen. Doch er senkte beschämt den Blick, denn immer, wenn sie auf ihn zutraten, um Hal o zu sagen, wurden sie von den Vietnamesen vertrieben.
    Tran, Tran und Hok sahen aus, wie sie zu Lebzeiten ausgesehen haben mussten. Sie schienen glücklich und zufrieden, und ihre grobe Arbeit machte ihnen sichtlich Spaß. Wortlos schirmten sie Siri ab und schoben ihn die Straße entlang.
    Ein kleiner Junge in der gestärkten Schuluniform der Republik stel te sich ihnen in den Weg. Er wirkte nervös und hielt einen Bleistift in der einen und einen Schreibblock in der anderen Hand. Obwohl Siris Entourage ihn ohne weiteres hätte niedertrampeln können, behauptete er tapfer die Stel ung und hielt Siri seinen Notizblock hin. Er wol te ein Autogramm von ihm. Die vier Männer blieben stehen.
    Der Doktor streckte die Hand aus. Er machte eine hohle Hand, als habe er eine Belohnung für den Kleinen, und hockte sich hin. Der Junge lächelte; seine wenigen noch verbliebenen Zähne waren rot vom Saft der Betelnuss. Er machte

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