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Colin Cotterill

Titel: Colin Cotterill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Siri und seine Toten
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ihnen mehrmals frischen Tee.
    Hoks Untersuchungsergebnisse glichen denen des zweiten Tran, mit zwei gravierenden Unterschieden. Neben den Strommarken fand sich eine große Wunde, die offenbar von einer aus nächster Nähe abgefeuerten Kugel herrührte. Das Geschoss war ein paar Zentimeter oberhalb des Herzens eingedrungen und am Schulterblatt wieder ausgetreten. Nguyen schüttelte den Kopf.
    »Das passt doch al es vorn und hinten nicht zusammen. Al ein diese Verletzung hätte ihn eigentlich umbringen müssen.«
    »War sie denn nicht die Todesursache?«
    »Ausgeschlossen. Sehen Sie hier.«

    Siri beugte sich über die Wunde und sah, was seinen Kol egen verwirrt hatte.
    Der Einschuss war noch offen und entzündlich rot. Doch rings um die Austrittswunde hatte sich eindeutig Schorf gebildet. Folglich war Hoks Verletzung alt und hatte zum Zeitpunkt des Todes eben erst zu heilen begonnen.
    »Der Junge hat ein Riesenloch in der Brust. Warum also treibt er sich mit Delegationen in der Weltgeschichte herum? Er hätte in ein Krankenhaus gehört.«
    »Das ist Frage eins«, sagte Siri. »Und Frage zwei folgt sozusagen auf dem Fuße. Erklären Sie mir das.« Er hielt das gummiisolierte Stromkabel hoch, das er von Hoks Fußgelenk entfernt hatte. »Es wird immer verrückter.«
    »Sie meinen, wenn sie Kabel hatten, warum haben sie dann nicht al e drei damit gefesselt?«
    »Die Menge hätte jedenfal s für ein ganzes Regiment gereicht. Ob das etwas zu bedeuten hat?«
    »Sie meinen, ob jemand bewusst Spuren auslegt?«
    »Möglich wär’s.«
    »Mit Verlaub, aber ich fürchte, dann hat derjenige uns maßlos überschätzt.
    Ich habe keine Ahnung, was das al es zu bedeuten hat. Und Sie?«
    »Noch nicht. Aber bald. Wenn wir hier fertig sind, sol ten wir uns, glaube ich, noch einmal mit Herrn Dun unterhalten.«
    Dun saß glücklich und zufrieden auf der Veranda seines aus Holzkisten zusammengezimmerten Bungalows und versoff und verrauchte seinen Lohn.
    Es wäre ihm im Traum nicht eingefal en, den beiden Doktoren etwas anzubieten.
    »Eine Bombe.«
    »Was denn für eine Bombe?«
    »Die Sorte, mit der die Scheißamis das ganze Land in Schutt und Asche gelegt haben. Da unten lagen gleich drei von den Dingern, halb im Schlamm begraben. Es stand was drauf.«
    »Wissen Sie zufäl ig, in welcher Sprache?«

    Dun amüsierte sich köstlich über die Vorstel ung, dass ihn tatsächlich jemand für des Lesens mächtig hielt. »Nein. Ich weiß nur eins. Auf einer von ihnen war ’ne chinesische Flagge.«
    »Ich sage Ihnen doch, das ist nicht meine Aufgabe. Ich muss mir das nicht antun. Ich reiche eine offiziel e Beschwerde bei der Botschaft ein. Das ist noch lange nicht das Ende vom Lied.«
    Siri fragte sich, ob das Gejammer je ein Ende nehmen würde. Seit sie Nam Ngum verlassen hatten, nörgelte der vietnamesische Chauffeur in einem fort.
    Siri bekam das Meiste davon ab, weil er vorn saß. »Das ist doch nicht…
    normal.«
    »Ich weiß. Passen Sie auf das Fahrrad auf.«
    Wären der Ersatzreifen und die Achtliter-Benzinkanister nicht gewesen, hätte der Kofferraum ausreichend Platz geboten. Der bewaffnete Wachmann hatte sich standhaft geweigert, ihn als Sozius mitzunehmen. Und so gab es nur eine Lösung.
    Herr Hok saß, fest in Segeltuch gewickelt und dennoch triefend, brettsteif neben Dr. Nguyen auf dem Rücksitz. Obwohl die Klimaanlage auf vol en Touren lief, war der Gestank kaum auszuhalten. Der Fahrer hatte sich eine halbe Rol e Toilettenpapier in die Nasenlöcher gestopft. Siri wandte sich an Nguyen Hong.
    »Sprechen Sie Französisch?«
    »Ein bisschen. Und selbst das ist ziemlich eingerostet.«
    »Und Sie, Fahrer?«
    »Ha. Wo sol te ich, bitte schön, Französisch gelernt haben? Ich bin arm. Ein Mann der Erde. Die Seele des neuen Regimes.«
    »Gut.« Siri wechselte ins Französische. »Schon irgendwelche Theorien, Doktor?«
    »Hunderte, aber keine einzige davon erscheint mir auch nur annähernd plausibel. Und Sie?«
    »Versuchen wir’s damit. Tran und Hok hatten hier einen so dringenden Auftrag zu erledigen, dass Hok keine Zeit blieb, seine Schussverletzung auszukurieren. Angenommen, wir konnten die Delegation aufgreifen, bevor sie ihr Ziel erreichen und größeren Schaden anrichten konnte. Die drei wurden zusammen mit anderen Verbrechern auf die Inseln gebracht, gefoltert, bis sie redeten, und dann mit alter chinesischer Artil erie an den Füßen in den See geworfen.
    Aber weil unsere Leute Ihren Leuten zu verstehen geben wol ten, dass wir sie

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