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Colin Cotterill

Titel: Colin Cotterill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Siri und seine Toten
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senkte die Stimme und war bei dem Motorenlärm jetzt kaum noch zu verstehen. »Die Hmong sind Heiden. Sie praktizieren Hexerei, Doktor. Sie kennen jede Menge Gifte und Hal uzinogene. Das eine oder andere Tröpfchen von diesen Drogen im Essen oder Wasservorrat, und zack.«
    »Die Hmong vergiften Sie, um Sie daran zu hindern, Ihnen beim Wiederaufbau zu helfen?«
    »Rache, Dr. Siri. Die Amerikaner haben sie einer Gehirnwäsche unterzogen, verstehen Sie? Sie haben ihnen eingeredet, dass wir Kommunisten niemals etwas für sie tun würden, wenn wir eines Tages an die Macht kommen. Die Hmong verstehen nicht, dass wir al e Brüder sind. Die Amerikaner haben ihnen weisgemacht, sie wären keine Lao.«
    »Sind sie ja auch nicht.«
    »Im Prinzip haben Sie natürlich recht, Genosse. Aber sie gehören zur Familie.
    Sie sind viel eicht nicht die Kinder laotischer Eltern, aber sie sind hier genauso zu Hause wie wir. Ein Hund oder eine Katze sind schließlich auch keine Menschen, werden von vielen Familien aber durchaus wie Verwandte behandelt. Hier ist es genau dasselbe.«
    »Hm. Stimmt. Sie meinen also, der Hund ist undankbar und beißt herzhaft in die helfende Hand seines wohlmeinenden Herrchens.«

    »So ungefähr. Nicht das ganze Rudel, Doktor. Nur ein oder zwei tol wütige Streuner. Aber solange wir nicht wissen, welches Gift sie benutzen, können wir sie auch nicht dingfest machen. Darum brauchen wir Sie.«
    Sie kamen zu einem verstreut liegenden militärischen Komplex, in dem es von Maschinen und Fahrzeugen nur so wimmelte. Wer so töricht war, den Worten des Hauptmanns Glauben zu schenken, mochte hier ein humanitäres Vorhaben erkennen, das selbst die extravagantesten Eskapaden der UNO
    problemlos in den Schatten stel te.
    Unter einem provisorischen Palmdach hinter dem leeren Kommandeursbüro standen zwei große Särge. Barbrüstige Soldaten trugen sie hinein und stel ten sie auf Böcke, die unter ihrer Last bedrohlich ächzten. Die Männer stemmten die Deckel auf und gaben den Blick auf Kumsings Vorgänger und dessen Begleiter frei. Sie waren in naturbelassene Tabaksblätter gewickelt und mit Kräutern garniert. Das reduzierte den Geruch und bewahrte die Leiche in einem erstaunlich guten Zustand. Der Insektenfraß war minimal.
    Der zwanzigjährige Lagerarzt war an Patientenpuppen ohne Blut zum Feldsanitäter ausgebildet worden. Er und eine nicht mehr ganz taufrische Frau aus dem Messzelt sol ten Siri bei der Obduktion behilflich sein. Fal s er je daran gezweifelt hatte, dass Geung und Dtui ihm in der Pathologie hervorragende Dienste leisteten, so wurden diese Zweifel in den folgenden sechs Stunden restlos zerstreut. Diese beiden waren mehr als unfähig.
    Kaum hatte sich die Knochensäge durch die erste Rippe gefräst, kotzte der Junge auch schon aus dem offenen Fenster. Er wiederholte diesen Trick im Lauf des Tages etwa ein Dutzend Mal. Die Frau redete in einem fort, stel te dumme Fragen und stand Siri noch dazu pausenlos im Weg, weil sie die Innereien des Mannes aus nächster Nähe betrachten wol te, um den Mädels in der Kantine später al es haarklein auseinandersetzen zu können. Die beiden - und die riesigen Fluginsekten, die ihm wie winzige Hubschrauber ins Gesicht klatschten - machten die Qual zu einem Albtraum.
    Und dieser Albtraum hatte noch nicht einmal ein Happy End. Gern hätte er eindeutige Anzeichen für eine natürliche Todesursache gefunden, aber das war ihm leider nicht vergönnt. Kurioserweise deutete jedoch auch nichts auf ein Verbrechen hin. Nach der Kol ision mit dem Baum bot der jüngere Offizier einen grauenhaften Anblick. Er hatte sage und schreibe achtunddreißig Knochenbrüche erlitten, und der Schädel war zertrümmert. Aber al diese Verletzungen waren erst nach seinem Tod entstanden. Als der Jeep gegen den Baum gekracht war, hatte er längst nicht mehr gelebt.
    Beide Männer waren körperlich in bester Verfassung gewesen, kräftig und gesund; aber aus irgendeinem Grund hatten sie einfach aufgehört zu leben.
    Siri hatte keine Erklärung dafür, und er wusste, dass Hauptmann Kumsing darüber nicht erfreut sein würde. Blieb also tatsächlich nur die Möglichkeit, dass jemand ein Toxin benutzt hatte, das keine nachweisbaren Spuren hinterließ.
    Siri flickte die Männer zusammen, so gut es ohne Hilfe ging, und die Soldaten legten sie wieder in die Särge. Bei Todesfäl en wie diesen, denen keine natürliche Ursache zugrunde lag, wurden die Leichen normalerweise schnel stmöglich und ohne

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