Colin Cotterill
es gar nicht gut. Die beiden hatten die ganze Nacht kein Auge zugetan.
Schlechte Nachrichten waren das Letzte, was Dtui brauchte. Darum verschwieg er ihr, dass man auf ihn geschossen hatte, aber fal s jemand frage, so schärfte er ihr ein, sol e sie sich dumm stel en und bestreiten, je von einem Fal gehört zu haben, der mit Vietnamesen im Zusammenhang stand.
Sie sei Putzfrau und Geung Tagelöhner, und sie könnten einen Kopf nicht von einem Paar Füße unterscheiden. Seinem Tonfal nach zu urteilen war es ihm damit todernst.
Die Maschine brummte gen Süden, zur Rechten der Mekong, zur Linken die aufgehende Sonne, die grel durch die winzigen Fenster schien. Siri fühlte sich, als habe er den Kopf vol er Hornissen. Das lag nicht nur an den Vibrationen des Flugzeugrumpfs: Ihm schwirrten so viele Gedanken durch den Schädel, dass Fantasie und Realität gründlich durcheinandergerieten.
Er versuchte seinen nächtlichen Traum zu deuten. Die Vietnamesen beschützten ihn, so viel war sicher. Viel eicht wol ten sie ihn ermahnen, niemandem zu trauen. Wer war der Junge mit dem blutroten Lächeln? Was hatte Siri entdeckt, das ihn zu einer Gefahr machte, die es aus dem Weg zu schaffen galt? Oder, wahrscheinlicher, was glaubten sie, was er entdeckt hatte? Und wer waren »sie«?
Jedenfal s war er der Lösung offenbar einen Schritt näher gekommen, so nahe, dass der eine oder andere langsam, aber sicher nervös wurde.
Hoffentlich würde er den Fal abschließen können, bevor es ihnen gelang, ihn zu beseitigen. Es wäre buchstäblich die Höl e, die Ewigkeit im Jenseits verbringen zu müssen, ohne dieses Rätsel gelöst zu haben.
Die Jak holperte über die provisorische Air-America-Rol bahn in Khammouan, als hätte man bei der Montage das Fahrwerk vergessen. Sie wirbelte riesige Staubwolken auf und kam kurz vor Ende der Landebahn ruckartig zum Stehen. Der Copilot öffnete die Tür und stieß Siri ins Freie. Sie hätten keine Zeit. Sie müssten sofort weiter nach Pakxe, wo sie den Premierminister und die kubanische Delegation abholen sol ten.
Siri brachte sich eilends in Sicherheit, damit die Pirouetten drehende Jak ihn nicht enthauptete, und sah zu, wie sie sich in den Morgenhimmel aufschwang.
Das Motorengeräusch verklang, und kein anderes trat an seine Stel e. Er stand am Ende des zweihundert Meter langen Streifens nackter Erde, umgeben von üppiger Dschungelvegetation, al ein.
Er tröstete sich damit, dass er in Khammouan war. Wie es schien, hatte er in dieser Provinz das Licht der Welt erblickt und seine ersten zehn Lebensjahre hier verbracht. Auch wenn die Umgebung keinerlei Erinnerungen wachrief.
Der Dschungel sah schließlich überal mehr oder weniger gleich aus.
Zwanzig Minuten später hörte er ein Auto, dessen Fahrer den richtigen Gang suchte. Es kam näher. Er verließ sein schattiges Plätzchen und trat auf die Rol bahn. Ein alter chinesischer Armeelaster brach durch das Dickicht am anderen Ende des Landestreifens und hielt an. So standen sie sich regungslos gegenüber, wie zwei Revolverhelden, die einander abwartend taxieren.
Da Siri keinerlei Anstalten machte, den ganzen Weg zu Fuß zurückzulegen, raste der Laster die Rol bahn entlang und kam schließlich schlitternd zum Stehen. Siri schluckte Staub. Zwei Soldaten sprangen vom Laster und salutierten.
»Dr. Siri?« Unter den gegebenen Umständen war eine Verwechslung praktisch ausgeschlossen.
»Hauptmann Kumsing?«
»Das bin ich.« Der andere Mann, der sich bislang im Hintergrund gehalten hatte und eine makel ose Uniform trug, meldete sich zu Wort. »Schön, dass sie so schnel gekommen sind. Ein Tag länger, und die Leichen wären uns glatt davongelaufen.« Es war ein Scherz, aber Siri musste an Frau Nitnoy denken.
»Ja. Das haben sie bisweilen so an sich.«
Im Wagen, auf dem Weg zum Projektstützpunkt, versuchte Hauptmann Kumsing in groben Zügen zusammenzufassen, was hier draußen in der Wildnis vorgefal en war. Es handele sich um ein Militärprogramm, ein Pilotprojekt zur Entwicklung und Renaturierung der durch den jahrelangen Krieg verwüsteten Hmong-Gebiete. Gleichzeitig wol e man die Hmong aus ihrer Abhängigkeit von der Opiumernte befreien.
Er vergaß zu erwähnen, dass die Hmong etwa zehn Prozent der laotischen Bevölkerung ausmachten und viele von ihnen auf der anderen Seite gestanden und mit den Amerikanern gegen die Kommunisten gekämpft hatten. Siri fragte sich im Stil en, weshalb das Militär ausgerechnet die Hmong unterstützte,
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