Colin Cotterill
befanden sich doch viele andere Regionen des Landes in ähnlich erbärmlichem Zustand.
Hauptmann Kumsing erklärte, das Projekt sei im Juli angelaufen und habe ursprünglich unter dem Befehl Major Anous gestanden, eines Veteranen von Xepon und Sala Phou Khoun. Siri kannte Anou als ehrgeizigen Mann mit Familie in Frankreich. Er war um die fünfzig und hatte sich bester Gesundheit erfreut, als Siri ihn vor ein paar Jahren untersucht hatte. Deshalb fand er es doppelt unglaubwürdig, dass der Major nur vier Wochen nach Beginn des Projekts einen tödlichen Herzanfal erlitten haben sol te. Er war im Schlaf gestorben, und der Lagerarzt hatte keinerlei Anzeichen für ein Verbrechen feststel en können.
Der Major wurde beerdigt, wie es hierzulande Brauch war, und der vietnamesische Berater Major Ho übernahm das Kommando, während sie auf laotischen Ersatz warteten. Zwei Monate später verschwand der Major. Er lief einfach in den Dschungel und ward nicht mehr gesehen. Das verwunderte die Wenigsten. Er hatte schon seit geraumer Zeit Selbstgespräche geführt und ein merkwürdiges Verhalten an den Tag gelegt. Bei seinem Verschwinden hatte er eine Krone aus Pak-Elert-Blättern getragen. Die Lao nahmen an, dass Tiger ihn gefressen hatten.
Bis September blieben sie ohne Kommandant, dann kamen zwei junge Offiziere aus dem Norden. Beide waren erst kurz zuvor befördert worden. Der ältere der beiden übernahm die Rol e des Projektleiters. Aber nach zwei Wochen bekam er schwere Magenkrämpfe. Er hatte solche Schmerzen, dass er in die Klinik nach Savannakhet geflogen wurde. Die Ärzte dort konnten nichts feststel en. Er kam mit einem einwandfreien Gesundheitszeugnis wieder und war eine Woche später tot. Er war vierunddreißig.
Sein Kol ege übernahm das Ruder. Bis vor einer Woche war es ihm gut gegangen. Er hatte weder physische noch psychische Probleme. Al e glaubten, der Fluch sei gebannt. Bis er eines Tages zum Projektgelände hinausfuhr. Er fuhr selbst. Er hatte zwei Männer bei sich. Sie ermahnten ihn, nicht so schnel zu fahren, die Straße sei in schlechtem Zustand, doch er hörte nicht auf sie. Er schien nicht mehr er selbst zu sein.
Er erklärte ihnen, er wol e nach Hause. Er fuhr quer über ein gerodetes Stück Land und stand im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Gaspedal. Er erstarrte förmlich. Er hielt geradewegs auf einen großen alten Teakbaum am anderen Ende der Lichtung zu. Die Männer versuchten ihm das Steuer zu entreißen, aber er war stocksteif - wie aus Beton, sagte der eine später. Als klar war, was geschehen würde, warfen sich die Männer aus dem Jeep. Sie hatten keine andere Wahl. Einer von ihnen kam dabei ums Leben. Er pral te mit dem Kopf gegen einen Baumstumpf und war auf der Stel e tot. Der andere brach sich beide Beine. Er hob genau in dem Moment den Blick, als der Jeep frontal gegen den Baum raste. Sein Vorgesetzter stand noch immer auf dem Gaspedal. Er flog durch die Luft und krachte gegen den Baum wie ein Spatz gegen eine Fensterscheibe. Er hatte keine Chance.
Siri war verblüfft. »Wer ist sein Nachfolger?«
Der Hauptmann sog Luft durch die Zähne. »Ich. Aber das haben wir bislang geheim gehalten. Offiziel ist das Lager zurzeit ohne Leitung. Das Kommandeursbüro ist leer, und wir haben das Gerücht gestreut, dass wir auf einen neuen Offizier aus Vientiane warten.«
»Meinen Sie, das bringt etwas?« Der Laster holperte über einen zerfurchten Pfad, den man durch den dichten Dschungel geschlagen hatte. Straße konnte man das kaum nennen, und Siri klammerte sich krampfhaft ans Armaturenbrett, damit ihm sein Gebiss nicht aus dem Mund fiel.
»Natürlich. Sie sol en nicht wissen, wer hier das Sagen hat. Schließlich haben sie es auf unsere Kommandanten abgesehen.«
»Wer sind ›sie‹?«
»Das liegt doch wohl auf der Hand.«
»Nicht für mich.«
»Na, die Hmong, natürlich.«
»Die Hmong? Aber ich dachte, Sie würden ihnen helfen?«
»Ja, schon. Und die meisten Hmong sehen das auch so. Aber wie Sie wissen, gibt es in jeder Gemeinschaft kapitalistische Sympathisanten, die ihre Niederlage nicht verkraftet haben.«
»Und wie, glauben Sie, legen sie unsere Kommandanten um? Mit einer Kugel oder Granate ließe sich das doch sicherlich leichter bewerkstel igen als auf die von Ihnen geschilderte Methode.«
»Ah, die sind schlauer, als man denkt. Sie wissen genau, dass sie damit einen Krieg vom Zaun brechen würden. Nein, sie machen das mit Zaubertränken.«
»Zaubertränke?«
Der Hauptmann
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