Colin Cotterill
il egalen Flugbewegungen im Raum Vientiane für Oktober und November. Sie war erstaunlich lang. Laos besaß sieben eigene Flugzeuge, aber wenn auch nur die Hälfte der Meldungen stimmte, ging es am Himmel zu wie im sprichwörtlichen Taubenschlag.
Der Zeitraum, der ihn am meisten interessierte, war die letzte Oktoberwoche, und das Datum, das ihm sofort ins Auge sprang, war der siebenundzwanzigste. Das Luftfahrtministerium hatte zwei Meldungen über Hubschrauberlärm in der Nähe des Nam-Ngum-Stausees erhalten.
Angesichts der Klientel, die ihre Dienste in Anspruch nahm, reagierten die Vol zugsanstalten auf den Inseln auf derlei Geräusche sehr empfindlich.
Da der Himmel gegen dreiundzwanzig Uhr bewölkt gewesen war, hatte niemand das Luftfahrzeug gesichtet. Und als die Flugabwehr am Damm ihre Geschütze endlich entmottet hatte, war das Geräusch längst verstummt. Zwar hatte der Tower in Wattay ein entsprechendes Radarsignal empfangen, aber bevor man die Quel e zweifelsfrei ermitteln konnte, war der Blip auch schon wieder verschwunden.
»Ich wette, das warst du, Schwarzer Keiler «, flüsterte Siri, als er die Berichte ein zweites Mal durchging. Er unterstrich das Datum.
Das Amulett klirrte gegen den Bettpfosten. Siri blickte zum Fenster, doch kein Lüftchen wehte, und der Vorhang rührte sich nicht. Der Ventilator war ausgeschaltet. Trotzdem baumelte der Talisman weiter hin und her und klapperte laut gegen den hohlen Eisenpfosten. Er beugte sich vor und legte die Hand darauf, um ihn stil zu halten, doch kaum hatte er den kühlen Stein berührt, stand ihm ein Bild vor Augen, und ein Gefühl des Grauens durchströmte jede Faser seines Körpers.
19
ZWIEGESPRÄCH MIT DEN TOTEN
»Sie werden uns diese Störung hoffentlich verzeihen.« Der Beamte von der Staatssicherheit stand in der Tür hinter seinem Vorgesetzten, einem älteren Mann mit ernster Miene. Er hatte noch nicht einmal geklopft. Er ging zu den Besucherstühlen, setzte sich und schlug die Beine übereinander. »Ich bin Major Ngakum Vong. Ich bin zuständig für… ist Ihnen nicht gut? Sie sind ja weiß wie gekochter Reis.«
Siri griff nach dem Sauerstoff und nahm ein paar tiefe Züge. Der Major war offenbar kein geduldiger Mensch.
»Ich komme lieber noch mal wieder, wenn Sie vernehmungsfähig sind.« Er stand auf und sah zu, wie Siri hustend die Maske absetzte.
»Nein, Major. Mir geht es gut.«
»So sehen Sie aber ganz und gar nicht aus.«
Der Talisman zuckte in Siris Hand wie ein lebendes Wesen. Als der Major wieder Platz genommen hatte, bemerkte er die geflochtene weiße Haarsträhne, die sich um die Faust des Doktors schlang. »Was zum Teufel ist denn das?«
»Das? Nur ein Glücksbringer, den ich geschenkt bekommen habe.«
»Wirklich? Ich dachte, Sie wären Arzt. Sie glauben doch wohl nicht an solchen Quatsch?«
Fast im selben Augenblick beschloss der Hocker am Fußende des Bettes, dass man auf drei Beinen nicht stehen könne. Er kippte zur Seite und landete mit lautem Krachen auf dem Betonfußboden. Das Geräusch hal te durchs Zimmer. Der Beamte bückte sich und stel te den Hocker wieder hin, und Dtui kam herein, um nachzusehen, was passiert war. Der Major drehte sich zu ihr um.
»Sie. Sie können draußen warten.«
»Ich?«, fragte sie mit gespielter Unschuld.
»Major Ngakum, das ist meine Pathologieassistentin«, erklärte Siri. »Sie war bei den Obduktionen zugegen. Außerdem kann sie meinem Gedächtnis notfal s auf die Sprünge helfen.«
»Na schön. Stel en Sie sich da drüben hin, Mädchen.« Sie trat neben den Beamten von der Staatssicherheit und nahm Haltung an. Er schürzte die Lippen, damit er nicht grinsen musste. »Wenn dieser Zirkus vorbei ist, können wir viel eicht endlich zur Sache kommen. Es handelt sich um eine äußerst ernste Angelegenheit, und die möchte ich möglichst aus der Welt schaffen, bevor sie sich zu einem internationalen Zwischenfal auswächst. Doktor, ich habe Ihre Version der Geschichte gelesen. Sie scheinen mir ein begnadeter Märchenerzähler zu sein.«
»Wie sol ich das verstehen?«
»Nun ja, mehr als an den Haaren herbeigezogene Mutmaßungen haben Sie ja offensichtlich nicht zu bieten. Und damit werden wir den Vietnamesen schwerlich beweisen können, dass wir ihre Leute nicht gefoltert haben.«
»Kriminel e sind schon auf Grund weit dürftigerer Indizien verurteilt worden.
Wir haben jedenfal s genug Beweise, um zumindest …«
»Erstens. Wir verurteilen keine Kriminel en. Wir schützen den Ruf
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