Colin Cotterill
bei Bewusstsein?«
»Ich bin noch ein bisschen schwach, aber bringen wir’s hinter uns.«
»Ich sag’s ihm. Wenn er mit Ihnen fertig ist, hole ich Ihnen ein kleines Frühstück. Ich muss es außer Haus besorgen. In der Küche hat es nämlich gestern Nacht gebrannt. Das Essen ist so miserabel, dass es mich nicht wundern würde, wenn die Patienten das Feuer gelegt hätten.« Sie ging zur Tür.
»Ach, Dtui. Hat Phosy schon im Büro vorbeigeschaut?«
»Der Polizist? Nicht, solange ich da war. Warum?«
»Er wol te das Original des Berichts und die Obduktionsbilder abholen. Sie müssen ihm zeigen, wo sie sind.«
»Ich richte es Geung aus.«
»Und sagen Sie ihm«, leitete er einen neuerlichen Hustenanfal ein. »Sagen Sie ihm, dass ich hier liege.«
»Jawohl, mein Gebieter.«
Der junge Mann von der Staatssicherheit war sehr höflich und sehr gründlich.
Obwohl er die Informationen kannte, die Siri seinem Freund Civilai gegeben hatte, wol te er al es noch einmal hören, in Siris eigenen Worten.
Das Sprechen fiel Siri schwer, und er musste von Zeit zu Zeit einen Zug aus der
Sauerstoffflasche
nehmen.
Während
einer
dieser
Wiederbelebungsaktionen kam Civilai ins Zimmer.
»He. Immer langsam mit den jungen Pferden. Der Stoff kostet einen Haufen Geld. Man kann ihn schließlich nicht einfach aus der Luft filtern.« Der Mann von der Staatssicherheit salutierte und zog sich zurück.
»Hal o, älterer Bruder. Wie ich sehe, hast du die vergangene Nacht heil überstanden.«
»Ich habe geschlafen wie ein Stein. Darf ich fragen, warum du nicht friedlich in deinem Bett gelegen hast, als das Haus in die Luft geflogen ist?«
»Ich war unten am Fluss.«
»Aha. Vermutlich mit einer süßen kleinen Maus.«
»Nein. Mit einem Hund.«
»Was sol ’s. In deinem Alter muss man nehmen, was man kriegen kann.«
»Wie geht es den Mädchen aus dem Erdgeschoss?«
»Sie sind wie betäubt. Ich glaube, bis jetzt hat nur die Ältere begriffen, was passiert ist. Ein kluges Kind. Wir haben die drei in einer Familie untergebracht, bis der Vater wieder da ist. Leider haben wir ihn noch nicht erreicht. Auf ihn kommt jetzt eine ganze Menge zu.«
»Wisst ihr schon, wie es passiert ist?«
»Eine Handgranate. Viel eicht auch zwei. Verdammt dicke Dinger. Wir gehen davon aus, dass sie durchs Fenster geworfen wurden. Die Trümmer werden noch durchsucht. Das einzige belastende Indiz, das wir bisher gefunden haben, sind die Überreste eines Transistorradios. Du weißt nicht zufäl ig etwas darüber?«
Siri hustete. »Es wurde vermutlich mit den Granaten durchs Fenster geworfen.«
»Das haben wir auch vermutet. Von deinen Sachen ist leider kaum noch etwas übrig.«
»Macht nichts. Es war ohnehin nichts Wertvol es dabei. Ich besitze schon seit Jahrzehnten nur so viel, wie ich tragen kann. Die Bücher werden mir al erdings fehlen. Ich nehme an, niemand hat etwas gesehen?«
»Rein gar nichts. Wie fühlst du dich?«
»Vom Glück begünstigt.«
»Wohl wahr. Da oben wacht jemand über dich. Keine Frage.«
Civilai musste zu einer Politbürositzung, sodass der Mann von der Staatssicherheit seine Befragung beenden konnte. Sie verlief sehr freundlich und entspannt, unterbrochen nur durch Siris gelegentliche Anfäl e, bei denen er sich jedes Mal fast die Lunge aus dem Leib hustete. Dtui hielt den Beamten bei Laune, während sie warteten, bis der Doktor wieder sprechen konnte.
Der Beamte war Anfang zwanzig, groß und hatte Ohren wie Pingpongschläger. Aber ein einnehmendes Lächeln, so viel musste Siri zugeben.
»Das wäre vorerst al es, Genosse Doktor. Ich lasse das Protokol abtippen und komme gegen Abend mit meinem Vorgesetzten wieder. Und Schwester Dtui, meine Liebe (sie errötete), behalten Sie Ihre Scherze in seiner Gegenwart lieber für sich. Er hat für Witze wenig übrig. Seinen Humor haben sie ihm im Kampf gegen die Franzosen weggeschossen.« Sie salutierte.
»Und, Doktor, geben Sie uns bitte sofort Bescheid, wenn Ihr vietnamesischer Kol ege sich bei Ihnen meldet. Wir brauchen dringend stichhaltige Beweise.«
»Man müsste schon ein Telefon erfinden, das man mit sich herumtragen kann, wenn ich in diesem Zustand mit ihm sprechen sol . Ich würde eine Woche brauchen, um in die Verwaltung zu kommen.«
»Hm. Ich wil sehen, was sich machen lässt. Wiedersehen, Doktor, und danke. Wiedersehen, Fräulein.«
»Fräulein? Wie kommen Sie darauf, dass ein hübsches Ding wie ich noch Fräulein ist? Ich könnte ebenso gut mit dem Mittelstürmer der
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