Colin-Saga 01 - Der Mond der Meuterer
allem, was passiert ist, wäre es mir lieber, wenn Sie mich Colin nennen würden.«
»Natürlich. Colin.«
»Ich hatte noch gar keine Gelegenheit, Ihnen zu sagen, wie Leid mir das alles tut.« Abwehrend hob sie die Hand, doch er schüttelte den Kopf. »Nein. Das ist sehr freundlich von Ihnen, und ich möchte Sie auch nicht verletzen, wenn ich darüber spreche, aber ich muss es einfach sagen.« Sie ließ die Hand in den Schoß sinken, umklammerte die andere, und senkte dann den Blick, bis sie auf ihre dünnen Finger hinunterstarrte.
»Cal war mein Freund«, begann er leise, »und ich bin zu seinem Haus gerannt, habe mit der imperialen Technik geprotzt, als wäre sie nur ein tolles neues Spielzeug, und habe so dafür gesorgt, dass seine gesamte Familie umgebracht wurde. Ich weiß, dass ich nicht habe ahnen können, was das bewirken würde, aber das ändert nichts an den Tatsachen. Er ist tot, und ich bin dafür verantwortlich.«
»Wenn Sie das so sehen wollen«, gab Isis sanft zurück, »aber Francis und er wussten, worauf sie sich da eingelassen hatten. Das ist jetzt nicht so gefühllos gemeint, wie es sich vielleicht anhört, aber es ist so. Ich habe ihn aufgezogen, nachdem seine Eltern gestorben waren, und ich habe ihn geliebt, so wie ich meine Schwiegerenkelin und meine Urgroßenkelinnen geliebt habe – doch wir alle haben die ganze Zeit über gewusst, dass so etwas würde passieren können. Ebenso wie Andy das wusste, als er mich geheiratet hat.« Mit tränenverschleiertem Blick schaute sie auf, die Erinnerung hatte die Falten in ihrem Gesicht hervortreten lassen, und Colin musste schlucken.
»Aber etwas verstehe ich noch nicht«, sagte er dann nach einer kurzen Pause. »Wie konnte Ihr Vater die Arbeiten anfertigen, die er als ›Horace Hidachi‹ vorgelegt hat, und dann auch noch das Risiko eingehen, Kinder zu zeugen? Und warum hat er das überhaupt getan?«
»›Ein Kind zeugen‹? Oder ›die Arbeiten vorlegen‹?«, fragte Isis und lachte leise, und Colin spürte, wie ein Teil der gemeinsam geteilten Trauer von ihm abfiel.
»Beides«, antwortete er.
»Das war ein Risiko«, gab sie zu, »doch die Tatsache, dass ›Hidachi‹ ein Orientale war, erleichterte es uns, sein Aussehen zu tarnen – das haben wir schon immer praktisch gefunden, obwohl das Erstarken der Asiatischen Allianz in letzter Zeit einiges verkompliziert hat –, und mein Vater hat Ort und Zeit genau ausgewählt. Die Clemson University hat einen sehr guten Ruf, sie ist eine der vier angesehensten Universitäten des Landes, aber das hat sich erst in jüngster Zeit so ergeben. Damals gehörte sie noch nicht zu denen, die sich mit den aktuellsten Forschungsgebieten befasst hatten, und mein Vater hat seine Ergebnisse in der unbedeutendsten Fachzeitschrift veröffentlicht, die er hatte finden können. Und er hat sogar bewusst noch ein paar Fehler mit hineingenommen, wissen Sie? Und dazu kommt noch, dass er nie über die reine Theorie hinausgegangen ist, und all das zusammen sollte Anu und seine Spießgesellen, denen die Arbeit dennoch aufgefallen sein musste, davon überzeugen, er sei ein Terraner, der sich der Tragweite seiner Arbeiten nicht im Mindesten bewusst sei.
Und was mich betrifft, also die Tatsache, dass er mich gezeugt hat …«, jetzt wirkte ihr Lächeln sehr viel natürlicher, »… das war ein Unfall. Mom war seine achte Frau – 'Tannis Mutter ist während der Meuterei ums Leben gekommen –, und um ehrlich zu sein: Sie dachte, sie sei schon zu alt, um noch schwanger werden zu können, und hat dann eben nicht aufgepasst. Als sie dann bemerkt hatte, dass sie schwanger war, da haben sich beide ein wenig erschrocken, aber eine Abtreibung wäre für sie nie in Frage gekommen, und dafür kann ich doch nur dankbar sein.« Sie grinste, und zum ersten Mal sah Colin, wie hell ihre Augen blitzen konnten.
»Aber es stellte schon ein Problem dar. Es galt die Regel, dass niemand aus der Gemeinschaft der Imperialen offen mit den Terranern in Kontakt zu treten hatte, und in den seltenen Fällen, wo das eben doch erforderlich war, tauchten sie einfach scheinbar aus dem Nichts auf und verschwanden danach auch wieder spurlos. Die Imperialen handelten auch fast immer im Alleingang, und das bedeutete, dass Mom und mein Vater sich ohnehin schon völlig untypisch verhalten hatten. Das allein schon bot ihnen ein gewisses Maß an Schutz, und so kamen sie zu dem Schluss, es sei das Beste, mich einfach noch mit dazuzunehmen und das Beste zu hoffen. Es
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