Colin-Saga 03 - Die Erben des Imperiums
als er erneut einen Blick auf ihre allzu dünne Unterwäsche erhaschte. Mutter Kirche erwartete von ihren Priestern, dass sie heirateten, denn wie sollten sie die spirituellen Bedürfnisse von Ehemann oder Ehefrau verstehen, wenn sie selbst ohne Erfahrung waren? Doch derartige Dinge ausgerechnet jetzt zu verspüren.
Stomald atmete tief durch und trat dann vor. Ihr blutverschmierter Kopf war herabgesunken, und sie hing so reglos dort, dass er schon dachte – darum betete!, sie sei bereits tot. Doch dann sah er die schwache Bewegung ihrer kaum verhüllten Brüste, und sein Herz sank in dem Bewusstsein, dass ihr vorzeitiger Tod ihn nicht von der Schuld befreien konnte, die er nun doch zu tragen hatte.
Er blieb stehen und blickte seine Gemeinde an, als Tibold sich näherte. Der Gardist hielt eine Fackel in der Hand, und die Flamme tanzte unruhig hin und her, verriet, wie sehr auch seine Hände zitterten. Zwei Schritte vor dem Priester blieb er stehen, und das Mitleid in seinen schlichten, aber harten Gesichtszügen brachte Stomald dazu sich zu fragen, ob vielleicht auch Tibold, obschon er darauf beharrte, dass diese Frau ein Dämon sei, voller Abscheu vor dem war, was sie ihr nun würden antun müssen.
Stomald hielt Tibolds gehetztem Blick stand, und ein Funken gegenseitigen Verständnisses sprang zwischen ihnen über … des gegenseitigen Verständnisses und der Dankbarkeit. Dankbarkeit darüber, dass das Dorf keinen Inquisitor hatte, der diesen schlanken Leib vor dem Tode noch auf dem Rad brechen würde, wie es die Schriften des Kirchenrechts verlangten, und dass, ob nun Dämon oder nicht, diese Frau nicht mehr aus ihrer tiefen Bewusstlosigkeit aufgewacht war. Sie würde unwissend sterben, die Schmerzen eines entsetzlichen Todes würden ihr erspart bleiben … im Gegensatz zu den Männern hier, die sich immer daran erinnern würden, was sie ihr hatten antun müssen.
Stomald wandte sich von dem Gardisten ab, der jetzt seinen Teil der Pflicht würde tun müssen, drehte sich zu seiner Gemeinde um und fragte sich, wie sie ihn wohl in den kommenden Tagen sehen würden. Jenseits der rauchenden Fackeln konnte er ihre Gesichter nicht erkennen, und er war froh darüber.
Dann öffnete er den Mund, um die Worte des Bannspruchs zu sprechen.
Harriets immer schwächer werdenden Implantatssignale ließen ihnen keine Zeit mehr, zur Israel zurückzukehren, und Sean ließ den getarnten Kutter einen halben Kilometer von der Dorfmitte entfernt aufsetzen. Aus dem Waffenschrank nahm er ein Sechs-Millimeter-GravGewehr, um noch etwas anderes außer seiner Handfeuerwaffe zur Verfügung zu haben, und Tamman wählte ein Energiegewehr, doch Sandy beschränkte sich auf ihre Grav-Pistole und einen Beutel mit Granaten. Sean wünschte, sie würde eine schwerere Waffe mitnehmen. Es blieb jedoch keine Zeit mehr, sich noch über die Bewaffnung zu streiten, und so führte Sean sie im Laufschritt durch die Dunkelheit.
Der von Fackeln erleuchtete Dorfplatz kam in Sichtweite, und Sean verzog den Mund zu einem grimmigen Zähnefletschen. Harriet – seine Harriet! – hing an ihren Handgelenken an einem Pfahl, rings um sie waren um ihren angeketteten, halbnackten Leib Reisigbündel bis zu ihrer Taille hinauf aufgeschichtet, und ihr Haar war blutverklebt. Seine Hände verkrampften sich um den Griff des Gewehrs, doch er spürte Sandys besorgten Blick auf sich ruhen, und er hatte ein Versprechen gegeben .
»Los!«, bellte er, und Sandy schleuderte die erste Plasmagranate.
Voller Entsetzen schrie Stomald auf, als das furchtbare weiße Licht die Nacht über Klippenend zerriss. Der feurige Atem des Lichts ließ Heuschober in Flammen aufgehen und versengte die Haare der versammelten Dorfbewohner, und rings um den Priester waren verängstigte Schreie zu hören.
Stomald selbst taumelte zurück, von einem weiteren gleißenden Licht geblendet. Noch ein Blitz regnete auf sie herab – und noch einer! , und neben sich hörte er Tibolds heiseres Rufen. Stomald schrak zusammen und versuchte den Mann zu verstehen, als plötzlich drei Gestalten auftauchten. Sie schienen geradewegs aus der Feuersbrunst zu kommen, die jetzt die Schmiede, den Getreidespeicher und die Gerbschuppen verzehrte. Ihre nichts über sie verratenden, schwarzen Umrisse hoben sich bedrohlich vor den Flammen ab, und die eine Gestalt in der Mitte, ein Riese wie aus einer Furcht erregenden Geistergeschichte, richtete eine sonderbar geformte Muskete auf das Schieferdach der
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