Colin-Saga 03 - Die Erben des Imperiums
Lücken. So war Erlaucht Tamman tatsächlich davon ausgegangen, Nioharqs würden die Infanterie langsamer vorankommen lassen, und Erlaucht Sean hatte eine sonderbare Bemerkung über ›schwere Kavallerie‹ gemacht, und das war ja nun wirklich ein Widerspruch in sich. Branahlks waren flink, aber sie hatten schon Schwierigkeiten, einen un gepanzerten Mann zu tragen!
Doch keiner der beiden schien aufgebracht, als er sie darin verbesserte. Tatsächlich hatte Erlaucht Sean Stunden damit verbracht, ihn auszuhorchen, um dann Tibolds Erfahrung mit den Dingen zu kombinieren, die er wusste : Auf diese Weise hatte er die Armee erschaffen, die sie nun gemeinsam anführten. Außerdem war Seine Erlaucht hocherfreut darüber, dass Tibold darauf bestanden hatte, alle Truppen unbarmherzig zu drillen – auch das gehörte zu den wichtigen Dingen, die viele junge Offiziere häufig nicht recht zu würdigen wussten.
Und auch wenn Erlaucht Tammans und Erlaucht Seans Unwissenheit in manchen Dingen überraschend war, so war doch ihr Wissen auf anderen Gebieten erstaunlich! Tibold hatte sie für verrückt gehalten, weil sie Feuerwaffen für wichtiger erachteten als Stangenwaffen. Ein Musketier mit einer Joharn konnte pro Stunde gut dreißig Schüsse abgeben, während der schwerere Malagor kaum mehr als zwanzig schaffte. Es war einfach vollkommen unmöglich, dass Musketiere allein einen entschlossen geführten Ansturm würden aufhalten können … bis Erlaucht Sean seine Trickkiste aufgemacht hatte. Und natürlich bis die Engel eingegriffen hatten.
Selbst Tibold hatte sich … zumindest unwohl gefühlt, als Engel Sandy Vater Stomald aufgefordert hatte, eintausend Joharns in einem kleinen, abgelegenen Tal zu verstecken und sie dort über Nacht liegen zu lassen. Tatsächlich war er sogar tief in der Nacht dorthin zurückgeschlichen – entgegen Vater Stomalds ausdrücklicher Anweisung! – und war dann sehr viel ruhiger wieder zurückgeschlichen gekommen, als er hatte feststellen müssen, dass alle tausend Stück verschwunden waren!
Doch am Morgen waren sie wieder dort gewesen, und Tibold hatte keinerlei Einwände erhoben, als Engel Sandy ihn aufgefordert hatte, in der nächsten Nacht zweitausend Joharns dort aufzustapeln. Nicht jedenfalls, nachdem er gesehen hatte, was mit den ersten passiert war.
Dass die einst hölzernen Ladestöcke jetzt aus Eisen waren, war nur der erste Schritt, und Erlaucht Sean hatte dazu Papierkartuschen eingeführt, die nun die Holzrohre ersetzten, wie sie bisher alle Musketiere an den Patronengurten über der Brust trugen. Davon konnte ein Mann viel mehr tragen und brauchte doch nur das Endstück derselben abzubeißen, das Pulver in den Lauf zu schütten und dann die Kugel hinterherzuspucken. Die Papierumhüllung diente sogar gleichzeitig noch als Ladepfropf!
Das Ding, das Erlaucht Sean als ›Ring-Bajonett‹ bezeichnete, war eine weitere täuschend einfache Neuerung. Musketiere, die in richtige Bedrängnis gerieten, schoben gelegentlich ein Messer mit dem Heft in die Mündung ihrer Waffen, sodass sie improvisierte Speere zur Verfügung hatten, wenn die Pikeniere näher rückten. Das indes geschah immer nur, wenn sie wirklich verzweifelt waren; schließlich hatte dies zur Folge, dass sie nicht mehr schießen konnten. Doch dadurch, dass ein Haltering um den Lauf der Waffe herum angebracht wurde, konnte sie eben doch schießen – und Tibold konnte es kaum erwarten, mitzuerleben, wie zum ersten Mal ein Hauptmann der Garde davon ausging, dass Musketiere mit aufgepflanzten Bajonetten nicht auf ihn würden schießen können!
Dann waren da noch die Schlösser der Gewehre. Niemand war bisher auf die Idee gekommen, das Ende des Zündlochs am Laufende zu einem Trichter zu erweitern, doch diese einfache Veränderung bedeutet, dass es nicht mehr erforderlich war, das Schloss zum Schuss vorzubereiten. Indem man die Muskete seitwärts drehte und vorsichtig gegen den Lauf klopfte, sorgte man nun dafür, dass ein Teil des Schießpulvers aus der Ladekammer in die Zündpfanne rutschte.
Doch die wunderbarste aller neuen Errungenschaften war sogar noch einfacher! Gewehre waren eine Erfindung der Malagoraner (na gut, die Leute aus Cherist nahmen dies für sich ebenfalls in Anspruch; Tibold jedoch wusste, wem er zu glauben hatte), aber bisher hatte es viel Zeit in Anspruch genommen, die Kugeln ganz in den Lauf zu befördern – nur so konnte man sie in die Züge zwängen, und das ließ Gewehre noch langsamer werden als
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