Colin-Saga 03 - Die Erben des Imperiums
Manche Dinge schienen sich wirklich nie zu ändern.
Was auch immer nun der Grund dafür sein mochte, Sean war den Baumeistern dieser Straße zutiefst dankbar. Nach diesem albtraumartigen Marsch quer durch unwegsames Gelände marschierten seine Männer jetzt geradezu begeistert vorwärts, erleichtert, Schlamm, Schlick und Dreck entkommen zu sein, und sie hatten an diesem Tag mehr als dreißig Kilometer geschafft, trotz der Stunden, die sie damit verbracht hatten, die Furten bei Malz zu durchqueren.
Außerdem hatten sie drei weitere Semaphoren-Türme eingenommen, ohne ein einziges Mal Alarm auszulösen. Sean war ein wenig erstaunt darüber, dass das so einfach gegangen war. Juahl aber hatte ein System entwickelt, das anscheinend perfekt funktionierte. Er hatte dem Haupttrupp einen Offizier und einige Dutzend Mann in den Uniformen gefangener Gardisten vorausgeschickt, und diese waren dann einfach geradewegs auf den Turm zugeritten und hatten den Kommandanten des jeweiligen Postens aufgefordert, seine Männer zusammenzurufen. Die Besatzungen der Semaphoren waren Zivilisten, keine Soldaten. Niemand von ihnen hätte sich auf ein Streitgespräch mit den Dragonern der Garde eingelassen, und sobald die Malagoraner sie alle ins Freie gelockt hatten, blickten die Zivilisten plötzlich in die Läufe eines Dutzend gezogener Joharns – auf äußerst kurze Distanz. Da die Signalarme der Semaphoren vom Boden aus betätigt wurden, war es noch nicht einmal von Bedeutung, wenn die Männer, die sich noch auf den Plattformen der Türme befanden, mit einem Blick von oben herausfanden, was vor ihrem Turm eigentlich gerade geschah. Sie konnten niemandem davon berichten, und bisher hatte sich auch niemand bemüßigt gefühlt, sich auf eine Diskussion einzulassen, wenn erst einmal der Rest von Juahls Männern eintraf und sie aufforderte, doch so freundlich zu sein und herunterzukommen.
In der Zwischenzeit schienen weder Ortak noch Terrahk den leisesten Verdacht zu schöpfen, dass ein ganzes Korps der Ketzer-Armee sich zwischen sie geschoben hatte. Die Türme, die Sean jetzt in die Gewalt seiner Truppen gebracht hatten, leiteten alle normalen eintreffenden Nachrichten ohne jegliche Abänderung weiter, fingen allerdings sämtliche Depeschen ab, die ein Offizier der Garde an einen anderen schickte. Das war fast noch amüsanter als alles, was Sandys und Brashans getarnte Fernsonden ihnen berichten konnten. Sean nämlich las hier wirklich die Post des Gegners und diktierte die Antworten, von denen er wollte, dass der jeweilige Empfänger sie erhielt. Es sah sogar so aus, als würde das bereits erste Wirkungen zeigen.
Sandy berichtete, dass Terrahk sein Marschtempo ein wenig gedrosselt habe – dank des zuversichtlichen Grundtenors, den Sean sämtlichen angeblichen Nachrichten Ortaks verliehen hatte. Doch natürlich hatte Ortak davon keine Ahnung, nicht wahr?
Sean grinste fast ein wenig hinterhältig, doch dann blickte er zum Himmel hinauf, und sein Grinsen verschwand. Die Sonne versank stetig im Westen, und es war an der Zeit, das Biwak aufzuschlagen. Was ihm hier Sorgen machte, war die zunehmende Luftfeuchtigkeit. Eine weitere Regenfront schien aufzuziehen, und Brashan war immer noch damit beschäftigt, die Grundströmungen des Wetters von Pardal zu berechnen. Die Berge machten Vorhersagen noch schwieriger, und Sean vermutete, dass die Regenfront schneller heranrückte als erwartet. Aber wir sollten immer noch genug Zeit haben, dachte er sich, während er sein Branahlk wieder in Bewegung setzte. Alles, was er brauchte, waren nur noch zwei weitere von Pardals Neunundzwanzig-Stunden-Tagen.
»Zwei weitere Tage«, murmelte Tamman. Er lehnte sich in dem Klappstuhl in seinem Zelt zurück und schloss die Augen, während sein Neuralzugang ihn über seinen Kommunikator mit der Israel und Sandys Fernsonden verband, die der getarnte Kutter stets über dem geräumigen Zelt des ›Engels Harry‹ schweben ließ. Mit Hochgeschwindigkeit ließ er die Scan-Aufzeichnungen dieses Tages ablaufen und betrachtete die Bilder, die sich in seinem Verstand ausformten: Seans Kolonne, die in extremem Tempo über die Hauptstraße in Richtung Erastor marschierte. Sie kamen wirklich gut voran, ja, waren immer noch gute vier Tage vor den Truppen von Oberhauptmann Terrahk. Dass das Entsatzheer das Tempo ein wenig gedrosselt hatte, würde den Abstand sogar noch ein wenig vergrößern, aber irgendwann übermorgen würden die Gardisten Malz erreichen und
Weitere Kostenlose Bücher