Colin-Saga 03 - Die Erben des Imperiums
andere Seite zu bringen. Aber Sean wird dennoch schon heute Nacht Folmaks Brigade hinüber begleiten. Naja, besser gesagt, in den frühen Morgenstunden, nehme ich mal an.«
»Also haben wir die Semaphoren-Kette durchbrochen, und es sieht so aus , als wüsste das noch niemand«, sinnierte Tamman, zupfte an seiner Unterlippe und starrte blicklos die Karte an.
»Sandy und Brashan …«, Harriet blickte zu Stomald hinüber, »… überwachen ihre Fernsonden vor Erastor und behalten das Entsatzheer im Auge. Bisher weiß an beiden Orten noch niemand, dass wir da sind.«
»Gut.« Tamman nickte, dann zuckte er mit den Schultern. »Ich weiß, dass wir die auch abhören, aber ich kann trotzdem nicht anders, als mir Sorgen zu machen, bis wir wieder Kontakt mit Sean haben.« Er betrachtete die Karte noch ein wenig länger, dann richtete er sich auf. »Ich glaube, ich werde mal mit Ithun reden. Falls die ›bösen Jungs‹ durch irgendetwas von der ganzen Sache hier Wind bekommen, dann wird Ortak Truppen von unserer Seite seiner Stellung abziehen müssen, um irgendetwas unternehmen zu können, und das könnte es uns vielleicht ermöglichen, seine Linien mit einem Stoßtrupp zu durchbrechen.«
»Mach bloß nichts Unüberlegtes, ohne das mit Sean abzusprechen, Tam!«
»Ich hab nicht vor, kreativ zu werden«, erwiderte er lächelnd, »aber Tibold beginnt auf uns beide abzufärben! Wie er immer sagt: ›Improvisierte Reaktionen funktionieren am besten, wenn sie von langer Hand vorbereitet wurden!‹«
»Wurde auch Zeit, dass irgendjemand euch beide davon überzeugen konnte!«, schniefte Harriet, und Tammans Lächeln verwandelte sich in ein breites Grinsen.
»Wir werden erwachsener … wirklich«, versicherte er ihr mit gespielter Ernsthaftigkeit. »Und, öhm … ich werde auch dafür sorgen, dass niemand euch beide bei eurer ›Besprechung‹ stört«, fügte er schalkhaft hinzu, als er die Zeltklappe zur Seite schlug.
Sean blickte auf, als Tibolds Branahlk an den Semaphoren-Turm herantrottete. Der Ex-Gardist hatte ganze drei Stunden geschlafen, und es war fast schon erschreckend für einen jungen Mann wie Sean, wie erholt der alte Kämpfer nach dieser kurzen Ruhepause wirkte. Bis zur Taille war Tibold völlig durchnässt, weil er den Mortan durchquert hatte, doch er winkte seinem Kommandanten fröhlich zu.
»Die Nachhut sollte etwa jetzt den Fluss durchqueren, Erlaucht Sean«, meinte er. »Die Vorhut-Brigade müsste in spätestens einer Stunde hier eintreffen.«
»Sind die Banner bereit?«, fragte Sean.
»Jawohl, Erlaucht.« Tibold grinste. Der Vorschlag war eigentlich von Sandy gekommen, doch er war damit ganz und gar einverstanden. Sie hatten vor Yorstadt mehr als genug Standarten der Garde erobert, um sie an alle ihre Regimenter zu verteilen, und Sean hatte Ortak bereits eine fingierte Nachricht von Oberhauptmann Terrahk zukommen lassen, dass er besser vorankomme als erwartet. Mit Hilfe dieser Banner und einer Semaphoren-Besatzung, die Terrahk schon erwartete , sollte es gelingen, die Besatzungen eines jeden Turms, der weiter aufwärts ebenfalls zu der Semaphoren-Kette gehörte, davon zu überzeugen, nach Erastor die Meldung durchzugeben, dass Ortaks erwartete Entlastung eingetroffen sei, sobald sie Seans Heer kommen sähen.
Nun nickte Sean Tibold zu und wandte sich dann dem Mann zu, der diese Semaphoren-Garnison kommandieren sollte.
»Pass gut auf, Yuthan!«, schärfte er zum, so vermutete er, wahrscheinlich sechsten Mal dem Mann ein, doch Yuthan nickte nur ernsthaft. »Du erfüllst hier eine sehr wichtige Aufgabe, aber sie ist nicht wichtig genug, als dass ihr riskieren solltet, euch von der Hauptstreitmacht isolieren zu lassen! Wenn Oberhauptmann Terrahk auftaucht, brennt den Turm ab und zieht euch zurück!«
»Jawohl, Erlaucht Sean! Macht euch keine Sorgen! Niemand von uns will hier fallen, Erlaucht, aber wir werden sie alle bei Laune halten, bis wir uns zurückziehen.«
»Guter Mann!« Sean klopfte dem Malagoraner auf die Schulter, dann stieg er auf sein Branahlk und wandte sich wieder Tibold zu.
»Ich habe eines von Folmaks Regimentern zusammen mit einer Kompanie von Juahls Dragonern ein wenig weiter nach Westen geschickt, nur um auf Nummer sicher zu gehen«, erklärte er und drängte sein Reittier zu einem schnelleren Trott. »Sie haben Order, außer Sicht des nächsten Turms zu bleiben, aber sie sind unsere vorderste Frontlinie. Sie haben schon ungefähr dreißig Leute eingefangen.«
»So viele?«
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