Colin-Saga 03 - Die Erben des Imperiums
finsteren Blick. Natürlich war es in diesem Tal immer feucht. Es war der einzige richtige Winddurchlass im gesamten Shalokar-Massiv, und feuchte Luft aus dem Osten wurde auf ihrem Weg zum Malagor-Plateau wie durch einen Trichter unweigerlich hier entlanggetrieben. Einige der Gelehrten aus dem Tempel waren der Ansicht, dass die Feuchtigkeit, wenn die Luft höher getrieben und dünner wurde, aufgrund ihres eigenen Gewichtes aus den Wolken fallen müsse. Ortak verstand die dahinter stehende Theorie nicht so ganz, aber er brauchte ja auch nur zu wissen, dass es in dem Tal regnete – sehr, sehr oft, und dass es bald schon wieder anfangen würde.
Leise brummte er einen Fluch vor sich hin, dann zuckte er mit den Achseln. Regen war sein Freund, nicht der dieser Ketzer. Ihre Musketen waren den seinen schon rein zahlenmäßig überlegen, und wenn Gott freundlich genug war, dafür zu sorgen, dass denen das Pulver, das sie brauchten, um ihre Schüsse vorzubereiten, feucht würde, dann wollte Ortak sich gewisslich nicht beschweren. Dann sollten sie doch kommen, die Ketzer, und sich ihm mit blankem Stahl entgegenstellen!
»Wie lange wird das dauern?«, frage Sean gereizt.
Sandy und er standen fünfzig Meter vom nächsten Malagoraner entfernt und sprachen über ihre Kommunikatoren mit Brashan.
»Mindestens noch zwei Tage«, antwortete der Narhani ernst. Er war allein auf dem Kommandodeck der Israel , und sein langes, saurierartiges Gesicht wirkte sehr, sehr nachdenklich. »Es tut mir Leid, Sean. Wir hatten gedacht …«
»Ist doch nicht deine Schuld«, unterbrach Sean ihn. »Wir alle haben gewusst, dass das kommen würde. Wir sind nur davon ausgegangen, dass es noch ein wenig länger dauern würde, und dann haben wir so viel Zeit in diesen Sümpfen verloren. Unser Zeitfenster hätte eigentlich groß genug sein müssen, Glitzerhuf!«
»Das wohl, aber es kommt nicht nur schneller näher, es wird auch viel stärker regnen, als wir vorausgesagt haben.« Der Narhani klang ernstlich besorgt. Sean war weniger als einen Tagesmarsch von Erastor entfernt, und der Regen – bisher nur ein Nieselregen – würde bis zum Abend in einen echten Wolkenbruch übergehen. Was das mit den Steinschlossgewehren anstellen würde, war gar nicht auszudenken!
»Können wir warten, bis es aufklart?« Sandy blickte zu Sean auf, und auch ihre Stimme klang besorgt.
»Glaub nicht.« Sean seufzte. »Ortak rechnet damit, dass seine ›Verstärkung‹ bei Einbruch der Dunkelheit eintrifft. Wenn wir jetzt eine Pause einlegen, wird er sich fragen, warum wir das tun, und jemanden ausschicken, der das herausfinden soll. Und wenn das passiert …«
»Aber du kannst doch nicht ohne deine Gewehre angreifen!«, protestierte Sandy. »Ihr habt doch überhaupt keine Piken!«
»Nein, aber wir haben immer noch das Überraschungsmoment.«
»Überraschungsmoment! Hast du den Verstand verloren? Da oben stehen achtzigtausend Mann , Sean! Du hast doch überhaupt keine Chance, deren Stellung einzunehmen, noch ehe sie begreifen, was hier eigentlich passiert!«
»Vielleicht nicht, vielleicht doch«, gab Sean störrisch zurück. »Vergiss den ›Verwirrungsfaktor‹ nicht! Der Regen wird auch denen die Sicht teilweise nehmen. Wir sollten deutlich näher an die feindlichen Stellungen herankommen können, bevor die merken, dass wir gar keine Gardisten sind. Es besteht also eine gute Chance, dass die in Panik verfallen, wenn ihre ›Verstärkung‹ sie plötzlich angreift. Der Gegner hat eben keinerlei Kommunikationsnetzwerk, wie das bei einer modernen Armee der Fall wäre. Es wird für die verdammt hart werden, sich überhaupt erst mal zu sortieren, wenn die auf Boten angewiesen sind, um Nachrichten zu übermitteln.«
»Du bist ja verrückt!«, zischte sie. »Tamman, Harry – sagt doch auch mal was!«
»Ich glaube, Sandy hat Recht, Sean«, sagte Harriet sehr leise. »Das ist zu riskant! Außerdem: Selbst wenn Terrahk herausfindet, was passiert, wird er sich wieder nach Baricon zurückfallen lassen. Warte, bis der Regen nachlässt! Ortak wird schon nicht weglaufen, und vielleicht wird er sich ja einfach ergeben, wenn er begreift, dass er zwischen dir und Tam eingekesselt ist.«
»Das war die falsche Antwort, Harry«, warf Tamman unglücklich ein. »Ortak gehört nicht zu denen, die sich einfach ergeben, sonst hätte der sich nicht vor Erastor verschanzt, anstatt weiter in der Flucht sein Heil zu suchen.«
»Was soll er denn sonst tun?«, fragte Harriet hitzig
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