Colin-Saga 03 - Die Erben des Imperiums
Heiligkeit, dass ich sie nicht aufhalten kann«, gab Surak mit einer Stimme zu, die klang, als würde Kies zermahlen. Die Prälaten starrten ihn entgeistert an, und er straffte die Schultern. »Meine Herren, ich bin der Oberste Befehlshaber Eurer Streitkräfte. Meine Verantwortung Euch allen gegenüber vor Gott besteht darin, Euch die Wahrheit zu sagen. Und die Wahrheit ist, dass irgendwie – ich werde nicht einmal vorgeben zu wissen, wie ihm das gelungen ist – dieser ›Erlaucht Sean‹ eine Armee zusammengestellt hat, die jeder Streitmacht auf Pardal zu widerstehen vermag!«
»Aber wir sind die Krieger Gottes !«, kreischte Corada. »Gott wird nicht zulassen, dass diese Teufel uns besiegen!«
»Bisher hat Er genau das getan, Euer Exzellenz«, gab Surak trocken zurück. »Warum Er das geschehen lässt, vermag ich nicht zu sagen. Aber etwas anderes vorzutäuschen würde gegen den Eid verstoßen, den ich abgelegt habe: Gott und dem Tempel nach besten Kräften zu dienen. Ich habe nach einer Lösung gesucht, meine Herren, im Gebet und in der Meditation ebenso wie in meinen Kartenräumen und im Gespräch mit meinen Offizieren. Nur fand sich keine einzige Lösung. Im Augenblick sind die Ketzer weniger als drei Fünf-Tages-Märsche vom Tempel selbst entfernt, und die letzte Armee, die sich ihnen in den Weg gestellt hat, wurde aufgerieben. Wenn Ihr es befehlt, so werde ich jeden Mann im Tempel und jeden Mann, den die noch verbliebenen weltlichen Truppen abstellen können, zusammenziehen und mich dann diesen Ketzern zur Schlacht stellen, und meine Männer und meine Offiziere werden alles tun, was Sterbliche zu tun in der Lage sind. Doch es ist meine Pflicht, Euch allen zu berichten, dass diese Streitmacht dann womöglich der Armee der Ketzer schon allein zahlenmäßig unterlegen sein wird. Daher fürchte ich, dass unsere Niederlage unausweichlich und vollständig sein wird, es sei denn, Gott selbst würde eingreifen.«
»Das wird Er! Das wird Er! «, schrie Corada fast verzweifelt.
Surak schwieg, schaute nur Vroxhan an, und unter der Platte des Tisches im Ratssaal verkrampfte der Hohepriester die Hände. Er konnte die Panik, die Suraks Worte hervorgerufen hatten, fast riechen. Trotz seiner eigenen Furcht sagte ihm sein Verstand, dass der Fürstmarschall lediglich die Wahrheit gesagt hatte. Warum? Warum ließ Gott das geschehen ? Dieser Gedanke wollte ihm einfach nicht aus dem Kopf, Gott jedoch sandte ihm keine Antwort auf diese Frage, und das Schweigen nach Coradas Ausbruch zerrte an seinen Nerven, als seien diese auf die Streckbank eines Inquisitors gespannt.
»Sagt Ihr uns gerade, Fürstmarschall«, setzte er schließlich mit sorgsam beherrschter Stimme an, »dass der Tempel Gottes keine andere Wahl hat, als vor den Mächten der Hölle zu kapitulieren?«
»Ich sage Euch gerade, Eure Heiligkeit, dass mit den zur Verfügung stehenden Streitkräften meine Männer und ich nichts anderes tun können, als in der Verteidigung des Glaubens zu sterben, so wie unser Eid es von uns verlangt. Wir werden diesem Eid gemäß handeln, wenn sich keine andere Lösung finden lässt. Ich flehe Euch aber an, meine Herren, in Euren Herzen und in Euren Gebeten danach zu suchen, welchen Weg auf diese Herausforderung Gott von uns einzuschlagen verlangt. Denn welcher Weg auch immer dies sein mag, ich glaube nicht, dass wir ihn auf dem Schlachtfeld suchen müssen.«
»Was wäre … was wäre, wenn wir das Angebot der Ketzer, in Verhandlungen zu treten, annehmen würden?«, fragte Bischof Frenaur zögerlich nach. Der gesamte Innere Kreis wandte sich entsetzt zu ihm um. Der Bischof des gefallenen Malagor erwiderte ihre Blicke mit einer Kraft, wie er sie seit Yorstadt nicht mehr an den Tag gelegt hatte. »Ich meine nicht, dass wir ihre Bedingungen akzeptieren sollten«, fuhr er mit deutlich schärferer Stimme fort, »aber der Fürstmarschall hat uns gerade gesagt, dass seine Streitkräfte zu schwach sind, sie im Kampf zu schlagen. Wenn wir vorgeben , mit ihnen zu verhandeln – könnten wir nicht für diese Zeit einen Waffenstillstand einfordern? So würden wir zumindest Zeit gewinnen, damit unsere Streitkräfte aus dem Westen von Nord-Hylar und unseren anderen Ländereien uns erreichen könnten!«
»Mit den Mächten der Hölle verhandeln ?«, schrie Surmal, doch zu Vroxhans immensem Erstaunen richtete sich der alte Corada mit plötzlich aufflammender Hoffnung in den Augen in seinem Sessel auf. »Unsere Seelen selbst würden …«, fuhr
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