Colin-Saga 03 - Die Erben des Imperiums
Malagor ein Vasall des Tempels so wie (wenn man ehrlich war) sämtliche weltlichen Herrscher, denn Mutter Kirche schuf oder vernichtete die Fürsten von ganz Pardal nach Gutdünken.
»Frenaur?« Vroxhan richtete den Blick auf den Bischof von Malagor. »Beabsichtigt Eure ungebärdige Herde Corada in diesem Jahr zu verärgern?«
»Nicht mehr als üblich, glaube ich.« Frenaurs Augen blitzten auf, als sich auf Coradas Wangen rote Flecken abzuzeichnen begannen. »Der Zehnte kommt spät, das ist wahr, aber der Winter war schlimm, und die Garde berichtet, dass die Wagen die Grenze bereits passiert haben.«
»Dann können wir, so denke ich, noch abwarten, bis wir Euch mit dem Interdikt belegen«, murmelte Vroxhan. Das war nicht nett, und es auszusprechen war auch nicht ganz seiner eigenen Position angemessen. Corada war allerdings so ein alter, aufgeblasener Wichtigtuer, dass der Hohepriester es sich einfach nicht hatte verkneifen können. Die kahle Kopfhaut des aufgeregten Bischofs zeichnete sich errötend gegen seinen weißen Haarkranz ab, und er schniefte pikiert und sammelte seine Pergamente schwungvoller ein, als nötig gewesen wäre. Vroxhan spürte kurz einen Stich des Bedauerns. Keinen sonderlich starken, aber dieses leichte Bedauern war eindeutig da.
Vroxhan wandte sich wieder dem Fenster zu, die Hände in die weiten Ärmel des blauen Gewandes geschoben, auf dessen Brust der goldene Explodierende Stern zu erkennen war. In der Ferne konnte man nun eine Musketier-Kompanie der Garde vorbeimarschieren sehen; lautstark sangen sie einen Marsch, als sie ihrem Kommandanten folgten, der auf dem Rücken eines Branahlk saß und sie zum Exerzierplatz führte. Vroxhan bewunderte, wie ihre silbernen Brustschilde blitzten. Polierte Musketen-Läufe blinkten im Sonnenlicht, und scharlachrote Umhänge wirbelten im Frühlingswind. Als zweiter Sohn wäre Vroxhan beinahe in den Dienst der Garde getreten, statt das Priesteramt zu wählen. Manchmal fragte er sich fast sehnsüchtig, ob er nicht das Leben eines Kriegers mehr hätte genießen können – es war auf jeden Fall mit weniger Verantwortung verbunden! Doch die Macht eines Angehörigen der Garde ist schließlich nicht die des Primas von ganz Pardal, rief er sich ins Gedächtnis zurück, setzte sich in seinen mit Schnitzwerk verzierten Sessel und schenkte seine Aufmerksamkeit wieder ganz dem Ratssaal.
»Also gut, Brüder, dann wollen wir uns anderen Dingen zuwenden. Die ›Feuerprobe‹ steht unmittelbar bevor, Vater Rechau – ist das Heiligtum vorbereitet?«
Gesichter, in denen bis eben noch Belustigung über Coradas Aufregung gestanden hatte, wurden nun deutlich nüchterner, als sie sich Rechau zuwandten. Dieser war nur ein Unterpriester und hätte in dieser Ansammlung von Prälaten als der Niedrigste der Niedrigen angesehen werden können, doch der Eindruck konnte täuschen. Denn Rechau war der Küster des Heiligtums, und das war ein Posten, der schon immer, eine uralte Tradition, von einem Unterpriester bekleidet wurde, dem dann der archaische Titel eines Kaplans verliehen wurde.
»Ist es, Eure Heiligkeit«, erwiderte Rechau. »Die Diener haben in diesem Winter ihre Arbeit über einen längeren Zeitraum verrichtet – sie sind bald nach der Ortungsprobe erschienen und haben zwei ganze Fünftage gearbeitet. Eine derartige Pflege hat meine Messdiener zu noch größerem Eifer angespornt, und die Weihe war bereits vor drei Tagen abgeschlossen.«
»Ausgezeichnet, Vater!«, lobte Vroxhan aufrichtig. Ihnen blieben noch drei Fünftage bis zur Feuerprobe, und es war ein guter Anfang für das liturgische Jahr, in den Vorbereitungen so weit voraus zu sein! Rechau nahm das Kompliment mit gesenktem Kopf an, und Vroxhan richtete den Blick auf Bischof Surmal.
»Unter diesen Umständen, Surmal, möchtet Ihr vielleicht zu dem neuen Katechismus Bericht erstatten.«
»Selbstverständlich.« Surmal runzelte die Stirn und blickte sich am auf Hochglanz polierten Tisch um. »Brüder, die Kongregation für die Inquisition erkennt sehr wohl den Druck an, den die Händlergilde und die ›Progressiven‹ auf die Kongregation für die Glaubenslehre ausüben. Ich fürchte indes, dass wir schwerwiegende Vorbehalte gegen gewisse Abschnitte dieses neuen Katechismus haben. Vor allem beklagen wir die deutlich abgemilderte Betonung der dämonischen …«
Die Tür des Ratssaals wurde so heftig aufgerissen, dass beide Flügel mit lautem Knall gegen die Wand prallten. Angesichts dieser Störung sprang
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