Collection Baccara 0283
angenommen, die Krankheit würde ihn milder stimmen, und nach seiner Genesung würden sie sich besser verstehen. Aber es hatte sich nichts geändert – Dominic Russo behandelte sein einziges Kind kühl und herablassend.
Ständig kritisierte er sie. Erzählte ihr, wie sie ihr Leben zu leben hatte. Und erwartete, dass seine Tochter tat, was er wollte.
Aber damit hatte er nie Glück gehabt, nicht mal in ihrer Kindheit. Sie konnte es nun mal nicht ausstehen, wenn ihr jemand Vorschriften machte. Darum hatte sie ihrem Vater oft widersprochen, und dann hatte es natürlich Streit gegeben.
Besonders, als sie ein Teenager war. Da fand sie seine bevormundende Art so schrecklich, dass sie sich oft mit frechem Benehmen an ihm gerächt hatte. Und später war sie zum wilden Partygirl geworden, nur um ihren Vater zu provozieren.
Seine Krankheit hatte sie allerdings zur Vernunft gebracht. Denn so schwierig ihr Verhältnis auch war, Sabrina wollte ihren Vater nicht verlieren. Und sie hatte einiges dafür getan, damit sie sich endlich vertrugen. Sogar ihren fantastischen Job hatte sie aufgegeben – als Einkäuferin bei Saks Fifth Avenue – und die Leitung der Stiftung Russo übernommen, weil er sich das wünschte.
Das war jedoch ein Fehler gewesen. Ein großer Fehler. Denn ihr Vater war nicht bereit, auch nur das kleinste bisschen Kontrolle abzugeben. Er hatte all ihre Entscheidungen infrage gestellt, jede Anweisung von ihr rückgängig gemacht und sie damit regelmäßig zur Verzweiflung getrieben. Monatelang hatte sie es hingenommen. Weil sie ja wollte, dass sie sich gut verstanden. Aber schließlich hatte sie einsehen müssen, dass es besser war, wenn sie beruflich eigene Wege ging.
Und jetzt wollte sie nicht länger grübeln, sondern sich auf den Abend mit Don Marco freuen.
Sabrina setzte sich an den Frisiertisch, zog Hose und Pullover aus. Dann nahm sie einen Waschlappen und die nach Limonen duftende Seife, um sich zu erfrischen, bevor sie ihr Haar bürstete und sich schminkte.
Der schwarze Rock, den sie über ihren Kopf nach unten gleiten ließ, bedeckte fast ihren bandagierten Knöchel. Und das blaue Samtjäckchen passte wunderbar dazu, wie Sabrina fand, während sie die Knopfreihe schloss.
Sie fühlte sich wie neugeboren, als sie nach nebenan humpelte. Aus dem Koffer nahm sie ein Paar schwarze Ballerinas, von denen sie natürlich nur einen anziehen konnte. Der flache Schuh passte auch gar nicht zu ihrem Outfit. Doch zum Trost hatte er eine Gummisohle, die ihr auf dem glatten Fliesenboden Halt gab. Und so gelangte sie ohne Probleme mit ihren Krücken zur Tür.
Wie versprochen, wartete Marco im Flur. Sabrina schaute sich hier interessiert um und war sichtlich angetan. Nicht nur das Gästezimmer war schön, auch dieser Korridor. Bodentiefe Fenster an beiden Enden ließen das Licht herein, die Einrichtung war edel, und ein großer Strauß Gladiolen verströmte einen herrlichen Duft.
„Der Lift ist dort vorn.“ Marco deutete auf eine Nische. „Er wird uns nach oben zum Esszimmer bringen.“
Nach oben. Aha. Als sich die Tür hinter ihnen schloss, blickte Sabrina neugierig auf das Tableau. Der Beschriftung nach befanden sich Garage und Wohnzimmer im 4. Stock. Im 3. die Bibliothek, Esszimmer und Küche. Im 2. die Schlafzimmer. In der untersten Etage ein Schwimmbad und die Treppe zum – vermutlichen privaten – Strand.
„Hier ist ja alles auf den Kopf gestellt“, bemerkte sie.
„Ja, weil die Straße oberhalb des Hauses verläuft. Wir sind da.“
Sie stiegen in der Bibliothek aus. Auch dieser Raum begeisterte Sabrina. Helle Regale mit Büchern und Kunstobjekten nahmen drei der Wände ein. Die vierte Wand bestand komplett aus Glas und zeigte auf eine Terrasse, von der man – wie sollte es auch anders sein – einen wundervollen Blick aufs Meer hatte.
Ihre Krückensankendrei Zentimetertiefin den weichen Teppich, während sie an einer Ledergarnitur aus Sofa und Sessel vorbeihumpelte. Sie blieb jedoch stehen, als sie auf dem Tisch einen Laptop sah.
„Haben Sie hier Internetanschluss?“, fragte sie hoffnungsvoll.
„Ja.“
„Darf ich mich mit meinem Laptop einwählen?“
„Selbstverständlich. Ich schreibe Ihnen das Passwort auf.“
Er notierte eine Sequenz von Nummern und Buchstaben auf einem Zettel, den Sabrina in ihre Jackentasche steckte.
„Danke. Wie ich schon sagte, bin ich geschäftlich in Italien. Darum gibt es einige Termine, die ich bestätigen möchte. Und ich muss dringend meine
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