COLLECTION BACCARA Band 0259
zwar mit allen Informationen, über die sie verfügten, aber das half auch nicht viel. Wann immer sie von jemandem wissen wollte, wer in der Zeit, als der Brief geschrieben worden war, auf der Ranch gearbeitet hatte, bekam sie zur Antwort: „Keine Ahnung. Am besten fragen Sie Luke.“
Und Luke Chandler war so wenig greifbar wie das mythische Einhorn.
Soweit Rebecca es beurteilen konnte, war er nie zu Hause, ging nie ans Telefon und tauchte niemals in der Stadt auf. Nach zweieinhalb Tagen hatte sie genug. Sie brauchte einen neuen Schlachtplan.
Die erste Gelegenheit, mehr zu erfahren, ergab sich früher, als sie es sich erhofft hatte. Sie fuhr gerade rückwärts die Auffahrt hinunter, als sie auf der anderen Straßenseite Kendra Delligatti entdeckte. Spontan ließ sie den Wagen stehen und lief zu ihr hinüber. „Hallo, Kendra. Könnte ich Sie vielleicht einen Moment sprechen?“
„Ja, sicher.“
„Ich brauche für meine Arbeit einige Informationen“, begann Rebecca. „Und da Marti im Moment nicht da ist, dachte ich, Sie könnten mir vielleicht weiterhelfen. Und zwar wüsste ich gern alles über die Geschichte der Ranch.“
„Meinen Sie diese Familienlegende? Marti glaubt fest daran, und Ellyn und Daniel neigen auch dazu – im Gegensatz zu mir. Bei Grif oder Luke bin ich mir nicht sicher.“
„Eigentlich geht es mir mehr um die jüngere Geschichte, aber es würde mich schon interessieren, was dieser Fluch genau besagt.“
Kendra seufzte. „Ich mache es kurz: Charles Susland, der erste Besitzer der Farm, heiratete damals eine Indianerin, Leaping Star, mit der er drei Kinder hatte, von denen zwei starben. Das dritte schickte er später mit Leaping Star zurück ins Reservat, damit er eine reiche weiße Frau, Annalee, heiraten konnte. Als dieses Kind sehr krank wurde und im Sterben lag, kam Leaping Star zurück und bat ihn um Hilfe. Er weigerte sich, und sie verfluchte ihn und seine Nachkommen.“
„Danke. Und wissen Sie vielleicht etwas über die späteren Bewohner? Wer auf der Ranch gelebt und gearbeitet hat? Ich dachte, da Sie als Kind den Sommer immer hier verbrachten …“
„Ich fürchte, da kann ich Ihnen wenig helfen. Natürlich erinnere ich mich an die Köchin und an Sven, weil er uns immer Spielsachen geschnitzt hat, aber das ist auch schon alles. Am besten wäre es, Sie fragen Luke.“
„Das würde ich ja gern. Aber er hat angeblich nie Zeit.“
„Luke war noch nie sehr gesprächig. Selbst als Junge war er schon ein Einzelgänger. Aber wenn man ihn braucht, ist er da. Und er kann fantastisch mit Kindern umgehen. Ich habe immer das Gefühl, als wäre er sein Leben lang auf der Ranch gewesen. Aber natürlich war er eine Reihe von Jahren fort, wie wir alle. Nur …“ Kendra schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Ahnung, wo er da eigentlich war. Er spricht nie darüber.“
„Danke für Ihre Hilfe.“ Rebecca verabschiedete sich resigniert.
„Ich fürchte, viel konnte ich nicht für Sie tun.“
Rebecca wollte gerade wieder in ihren Wagen steigen, als Kendra sie zurückrief.
„Warten Sie eine Minute! Mir ist doch noch etwas eingefallen. In der Kammer neben Martis Büro werden alle Unterlagen über die Männer aufbewahrt, die jemals auf der Ranch gearbeitet haben.“ Sie löste einen Schlüssel aus einem Bund. „Das Büro ist hinter der Küche. Da finden Sie bestimmt, was Sie suchen.“
„Ich weiß nicht, ob ich so einfach …“
„Machen Sie sich wegen Marti keine Gedanken. Das ist schon in Ordnung. Wirklich.“
Luke brauchte keine zusätzliche Beschäftigung zu seiner Arbeit auf der Ranch. Außerdem kostete es ihn reichlich Organisationstalent, seine Aufgaben so einzuteilen, dass er nicht aus Versehen Rebecca über den Weg lief. Er war nahe daran gewesen, einen großen Fehler zu begehen, vor dem ihn nur ein gütiges Schicksal in Gestalt von Helen Solsong bewahrt hatte. Rebecca hatte ihn an diesem Nachmittag irgendwie aus dem Konzept gebracht. Wie sie da in Jeans und Pulli, mit wehendem Haar und funkelnden Augen über die Prärie galoppiert war, hatte sie mit der Frau, die am ersten Tag in diesen lächerlichen Schuhen über das Feld getrippelt war, wenig gemein gehabt. Diese Verwandlung hatte er als ungeheuer sexy empfunden, und das wäre fast sein Verderben gewesen.
Wie sie jedes Mal, wenn sie ihm gegenüberstand, das Kinn entschlossen vorreckte und ihm signalisierte, dass es ausschließlich ums Geschäft und um sonst gar nichts ging, war einfach hinreißend.
Es war
Weitere Kostenlose Bücher