COLLECTION BACCARA Band 0259
zu.
Der alte Mann senkte den Kopf. „Ich bitte um Verzeihung.“
Doch Murat war nicht gewillt, ihn noch länger in seiner Nähe zu dulden. Er stand auf und zeigte in die Dunkelheit. „Geh“, befahl er. „Und wage es nicht, mir je wieder unter die Augen zu treten.“
Das war eine Premiere. Noch nie wurde ein Mitglied des Ältestenrates verstoßen. Zitternd erhob sich der Alte und schlich davon.
„Ist noch jemand der Meinung, dass ich meine Frau schlagen soll?“, fragte Murat drohend.
Betretenes Schweigen.
„Ich weiß, ihr seid gekommen, um mir mit eurem Rat zur Seite zu stehen“, fuhr er fort. „Aber eins sollt ihr wissen. Prinzessin Daphne ist meine Frau. Sie wird die Mutter meiner Kinder sein. Ihr Blut wird sich mit meinem mischen, und unsere Nachkommen werden Bahania tausend Jahre regieren. Vergesst das nicht, wenn ihr von ihr sprecht.“
Die Männer nickten, und Murat setzte sich wieder. Sooft er sich schon mit Daphne gestritten hatte, er wäre nie auf die Idee gekommen, sie zu schlagen. Er verabscheute physische Gewalt und duldete sie auch bei anderen nicht. Diese alten Narren!
„Warum hat die Prinzessin uns verlassen?“, wagte sich einer der Männer mit schüchterner Stimme vor.
Interessante Frage. Murat stellte fest, dass er sie nicht beantworten konnte. Ein Streit wie aus dem Nichts, und im nächsten Moment war sie verschwunden.
„Sie hat mich verärgert. Ich habe unüberlegt gehandelt.“
„Ihr könntet ihr befehlen zurückzukommen.“
Sicher, aber was würde er damit bewirken? Dass er ihren zornigen Blick ertragen musste? Nein, so stellte er sich ihre Ehe nicht vor. Aber ohne sie zu leben, diese Aussicht war gleichermaßen niederschmetternd.
„Der Prinz möchte, dass sie von selbst zurückkommt“, gab ein anderer Mann zu bedenken.
Murat schaute ihn über die Flammen hinweg an. Er war klein und sehr alt.
„Der Alte hat recht“, räumte er ein. „Sie soll aus freien Stücken zu mir kommen.“
„Doch das wird sie nicht tun“, fuhr der Alte nachdenklich fort. „Frauen sind wie der Nachtjasmin. Sie offenbaren ihre Süße in der Dunkelheit, wenn der Rest der Welt schlummert.“
„Man könnte sie ignorieren“, überlegte ein anderer Mann laut. „Wenn sie eine Weile allein war, wird sie dankbar sein, Euch wiederzusehen, und sich Eurem Willen beugen.“
Immerhin eine Möglichkeit, überlegte Murat. Obwohl Daphne nicht der Typ war, der sich beugte.
„Nehmt Euch eine Geliebte“, lautete ein weiterer Vorschlag. „Wir haben einige junge Schönheiten in unserem Gefolge.“
Murat schüttelte den Kopf. Er wollte keine andere Frau. Und er hatte sich geschworen, Daphne treu zu sein.
„Eine Blume muss gepflegt werden“, sagte der kleine alte Mann. „Überlässt man sie sich selbst, verwildert sie oder sie verdorrt und geht ein.“
Seine Worte bescherten ihm entsetzte Blicke. „Soll Prinz Murat etwa zu ihr gehen?“
Der Alte lächelte. „Der Gärtner ergibt sich der Blume. Er kniet sich auf den Boden und gräbt seine Hände tief in die Erde. Als Belohnung erhält er Schönheit und Kraft, die den härtesten Sturm überstehen.“
„Was soll ich also tun?“, fragte Murat verunsichert.
„Geht zu ihr“, sagte der alte Mann. „Gebt ihr fruchtbare Erde, und sie wird für Euch blühen.“
Wenn Daphne etwas hervorbrachte, dann allenfalls Dornen. Und die würde sie benutzen, um ihn zu stechen.
Zu ihr gehen? Nachgeben?
Niemals. Er war ein Prinz.
Murat stand abrupt auf und verschwand wortlos in seinem Zelt. Vor dem Bett blieb er stehen und sog tief den Duft von Daphnes Parfum ein.
Wie sehr er sich nach ihr sehnte …
Geh zu ihr, hatte der alte Mann gesagt.
Und dann?
Daphne ließ ihr Töpferwerkzeug in den Garten des Harems bringen. Anfangs weigerten sich die Bediensteten beharrlich, doch am Ende setzte sie sich mit der Drohung durch, den König zu rufen, falls die Männer sich ihren Anweisungen widersetzten.
„Der Kronprinz hat gesagt, dass Sie nicht hierher zurückkehren“, brachte einer der Männer zerknirscht vor.
„Ich ziehe auch nicht hier ein“, beruhigte sie ihn geduldig. „Ich will nur in Ruhe arbeiten.“
Nach langem zähem Kampf konnte sie sich schließlich an ihr Werk machen.
Sie hatte eine genaue Vorstellung davon, was sie gestalten wollte, war aber unsicher, ob ihr Talent dafür ausreichte. Der fehlende Schlaf erwies sich auch nicht gerade als förderlich. Drei Nächte lang hatte sie sich nun schon unruhig im Bett herumgewälzt. Doch sie
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