COLLECTION BACCARA Band 0273
tun, Emmy. Du hast ihn doch gar nicht wirklich geliebt.“
„Seinen Ring habe ich aber behalten.“ Emily drehte den Verlobungsring aus Weißgold mit dem kleinen Diamanten wieder und wieder um ihren Finger. Bei dem Gedanken, den Ring abzunehmen, spürte sie einen ersten Trennungsschmerz. Vielleicht liebte sie Roger nicht, aber sie mochte ihn. Er war ein netter, solider und bescheidener Mann, der niemals mehr von ihr verlangt hatte, als sie zu geben bereit war.
Bis zu diesem Morgen. Plötzlich wollte er wissen, warum sie nie Händchen gehalten oder einen Sonntagnachmittag kuschelnd auf der Couch verbracht hatten. Er hätte gern gewollt, dass sie sich leidenschaftliche Blicke zuwarfen und ihr Sex länger als zehn Minuten dauerte.
„Er hat eine andere Frau kennengelernt“, folgerte Emily und wunderte sich, warum sie nicht gleich darauf gekommen war. Roger hatte eine andere getroffen, die ihm klarmachte, dass er mehr wollte als den bisherigen alltäglichen Trott.
„Ich könnte ihn wegen Vertragsbruchs verklagen. Schließlich bin ich deine Anwältin“, erklärte Melinda.
„Das ist es nicht wert.“
„Ich finde sowieso, dass er dir mit seinem Rückzieher einen Gefallen getan hat.“
„Dann sollte ich ihm den Ring zurückgeben.“
„Lass ihn uns lieber verhökern und von dem Geld nach Las Vegas fliegen.“
„Das kann ich nicht“, sagte Emily, auch wenn der Vorschlag verführerisch klang.
Melinda war das genaue Gegenteil von Emily. Sie war überaus spontan. Emily hatte manchmal versucht, die positive und sorglose Art von Melinda zu übernehmen, aber in Wahrheit wäre sie nie aus ihrem gewohnten Alltagstrott herausgekommen, wenn Roger sie nicht verlassen hätte.
„Ich habe einen neuen Klienten“, sagte Emily. „Und es ist ein weiter Weg von Boston nach Las Vegas. Der Ring würde uns gerade einmal die Hälfte der Strecke finanzieren.“
„Da hast du wohl recht.“ Abfällig betrachtete Melinda den Ring. „Roger ist nicht nur langweilig, unsensibel und egoistisch, sondern auch noch geizig. Und, was hast du jetzt vor? Ich meine, abgesehen von deiner Arbeit.“
„Keine Ahnung. Ich muss den Hochzeitssaal kündigen und dem Fotografen absagen …“
„Auf deiner Liste steht, dass du in drei Wochen heiratest. Dann such dir doch in dieser Zeit einen anderen Mann. Wenn er genauso groß ist wie Roger, wird ihm ja auch der Smoking passen. Dann hast du eine Sorge weniger.“
„Der Smoking ist mein kleinstes Problem“, sagte Emily. „Den kann man auch noch kurz vorher ändern lassen.“
Natürlich machte sie nur Spaß. Aber sie würde sich keinen neuen Mann suchen, nur damit sie nicht die Kaution für den Hochzeitssaal verlor. Auf jeden Fall wollte sie ihren Zukünftigen lieben, obwohl sie sich nicht wirklich sicher war, ob sie überhaupt an Liebe glaubte – was eine weitere Folge ihrer Kindheit war.
In den Pflegefamilien, in denen sie ihre Jugend verbracht hatte, hatte sie nicht sehr viel Liebe erfahren. Meistens taten die Leute alles nur des Geldes wegen. Emily wäre schon glücklich, wenn sie einen Mann fand, der zu ihr passte und ihr etwas Zuneigung schenkte. „Wie schwer kann es sein, einen neuen Verlobten zu finden?“
„Der Typ am anderen Ende der Bar ist süß. Du könntest ihm etwas in den Drink mischen oder dich in einem Gebüsch verstecken und dir den ersten Mann schnappen, der vorbeikommt.“
„Ich könnte dir aber auch eins überziehen und damit dieses Gespräch beenden.“
Melinda schwieg und starrte stattdessen in den Raum, und ihr Martiniglas schien ihr am Mund festgewachsen zu sein.
„Wirst du mir nun helfen oder nicht?“, fragte Emily.
„Ich habe ihn gefunden.“ Melinda knallte ihr Glas so heftig auf den Tisch, dass sie einen Teil des Inhalts verschüttete.
Melinda hatte schon immer einen Hang zur Dramatik gehabt, aber es musste etwas wirklich Weltbewegendes passiert sein, dass sie einen Drink verschwendete.
Emily drehte sich um. Was zog Melinda so in den Bann? „Du meinst doch nicht etwa den großen, dunkelhaarigen und zerzausten Kerl, der neben der Tür sitzt?“
„Ich finde ihn zum Anbeißen.“
„Er ist ungepflegt.“ Sein Haar war verwuschelt, er trug ausgewaschene Jeans und ein langärmeliges Hemd, das schon bessere Tage gesehen hatte. Und er brauchte unbedingt eine Rasur. „Der sieht ja aus wie ein Penner.“
„Er könnte schon seine Kleidung wechseln – oder noch besser, sie gleich ausziehen.“
„Wahrscheinlich würde er sie quer über den Boden
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