COLLECTION BACCARA Band 0285
die Küche zurück. Er fragte sich, wo sie essen sollten. Für ein romantisches Essen am Kaminfeuer war es wohl zu warm …
Um Himmels willen, Lincoln!
„Hol einfach das Hähnchen und den Salat aus dem Kühlschrank, und mach dir immer klar, dass es sich bloß um ein Abendessen handelt. Mehr nicht“, redete er vor sich hin.
Als Anna herunterkam, hatte Lincoln einen Tisch auf die Terrasse gestellt. Es war ein warmer Abend. Warum sollte er die Terrasse nicht nutzen, wenn er schon eine besaß?
Aus demselben Grund öffnete er eine Flasche Weißwein. Warum auch nicht? Zu einem gepflegten Abendessen gehörte nun einmal eine gute Flasche Wein.
Während des Essens unterhielten sie sich ungezwungen. Anna erzählte ihm unzählige Geschichten über Jennifer. Dann trat plötzlich Schweigen ein.
Lincoln räusperte sich. „Was hältst du eigentlich von New York?“
„Ich habe noch nicht viel von der Stadt mitbekommen.
Aber was ich gesehen habe, hat mir gut gefallen.“
Er wäre fast zusammengezuckt. Anna war mittlerweile schon seit mehreren Wochen in der Stadt und hatte noch kaum etwas von New York gesehen. Und das war seine Schuld, denn er hätte sie auch einmal herumführen können.
Sie war in die Vereinigten Staaten gekommen, um eine Stelle mit normalen Arbeitszeiten anzunehmen. Stattdessen hatte Lincoln sie zu einem Job gedrängt, der ihr so gut wie keine Freizeit ließ, und den sie unter normalen Umständen niemals angenommen hätte.
„Du solltest dir einen freien Tag nehmen“, schlug er vor. „Ich bin mir sicher, dass Mrs. Hollowell sich für einen Tag um Jennifer kümmern kann.“
„Das ist schon in Ordnung, Lincoln. Ich brauche keinen …“
„Sieh dir das Empire State Building, die Freiheitsstatue oder die Museen an.“ Was war bloß in ihn gefahren? Er hörte sich wie eine Reisebroschüre an. „Es gibt viel zu entdecken.“
„Ich weiß, aber …“
„Wenn du magst, würde ich dir gern die Stadt zeigen.“
Ihre Blicke trafen sich. Die Atmosphäre begann zu knistern. Lincoln hätte schwören können, dass sich etwas zwischen ihnen abspielte.
„Danke, Lincoln, aber ich glaube …“
„Ich mag es, wie du meinen Namen aussprichst“, unterbrach er sie erneut.
„Wirklich?“
Er griff nach ihrer Hand und legte sie in seine. „Du hast so eine besondere Betonung.“
„Ich spreche eben noch nicht ganz akzentfrei.“
„Du sprichst schon perfekt. Alles an dir ist …“
Sie zog die Hand zurück und stand auf. „Ich muss nach Jennifer sehen.“
Lincoln stand ebenfalls auf. „Anna …“
„Bitte lass mich gehen“, flüsterte sie.
In diesem Moment war sein größter Wunsch, sie in die Arme zu nehmen. Ihm war klar, was dann passieren würde. Und sie wusste es genauso. Lincoln konnte es in ihren Augen sehen. Doch er hatte dieser Frau schon genug angetan. Denn er hatte ihren Traum zerstört, nach New York zu kommen und einen Job in seiner Firma anzunehmen. Noch schlimmer war aber, dass er sie ausgenutzt hatte, um aus seiner ausweglosen Situation herauszukommen.
Nur ein gewissenloser Schuft hätte noch mehr von ihr verlangt. Aber er wollte mehr …
Er machte einen Schritt auf sie zu und sah, wie ihre Augen größer wurden. Nur ein Kuss …
Das Baby schrie plötzlich oben.
„Jennifer“, sagte Anna.
Lincoln nickte und zwang sich zu einem Lächeln. „Geh ruhig nach oben. Ich räume hier auf.“
Bevor er an die Konsequenzen seines Handelns denken konnte, umfasste er ihr Gesicht und hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen.
Sie schloss die Augen und beugte sich nach vorn. Einen Moment lang vergaßen sie alles um sich herum.
Dann wich Lincoln erschrocken zurück und ließ Anna fliehen.
8. KAPITEL
Das war es wohl mit dem gemütlichen Abendessen zu zweit gewesen.
Immerhin hatte sich die Lage zwischen Lincoln und Anna entspannt. Sie warf ihm keine bösen Blicke mehr zu und ignorierte ihn auch nicht mehr. Aber sie schenkte ihm kein Lächeln mehr. Und auch die ungezwungenen Unterhaltungen hatten ein Ende gefunden.
Dafür beschäftigte Lincoln sich nun mehr mit Jennifer. Er gab ihr die Flasche und brachte sie ins Bett, wenn er abends nach Hause kam. Dass er ausging oder bis in die Nacht hinein arbeitete, kam immer seltener vor, denn er wollte mehr Zeit mit seiner Nichte verbringen.
Und sie machte es ihm einfach. Jedes Mal, wenn Jennifer ihn sah, begann sie zu strahlen.
Er wünschte sich, dass auch Anna so auf ihn reagieren würde. Doch sie lächelte noch nicht einmal und redete nur mit ihm,
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