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Collector’s Pack

Collector’s Pack

Titel: Collector’s Pack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Giordano
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Webseite: http://www.exploit666.va, loggen Sie sich ein (ID: jesus, Passwort: fnord) und sehen Sie sich die beiden Dateien an. DIES IST KEIN SCHERZ UND KEIN SPAM. Bitte glauben Sie mir, es geht um Ihr Leben. Verständigen Sie die andere Person. Hinterlassen Sie eine Nachricht im Gästebuch, das ist sicherer. Ich werde überwacht.
    Mein Name ist Pater Anselmo, Systemadministrator im Rechenzentrum des Vatikan.
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    Die Minuten verrannen. Anselmo schwitzte trotz der Klimaanlage, die den Serverraum herunterkühlte. Um die Aufmerksamkeit seiner Beobachter etwas abzulenken, öffnete er die Webseite von Nakashima Industries und setzte einen Maschinenbefehl in das Suchfeld ein, der dort ein brute-forcing auslöste, ein wüstes automatisiertes Ausprobieren von Passwörtern, einen virtuellen Rammbock, der vom intrusion detection system auf der anderen Seite natürlich sofort bemerkt und bekämpft wurde. Sollten die Typen, die ihn überwachten, sich eben über das brachiale und wenig elegante Vorgehen wundern, solange es ihm nur etwas Zeit verschaffte.
    Gebannt starrte er auf das Gästebuch seines honeypots . Aber er erhielt keine Antwort. Jedenfalls nicht die erhoffte. Nach einer halben Stunde musste er fassungslos mit ansehen, wie seine falsche Webseite gelöscht wurde. Im gleichen Moment klingelte das Telefon neben dem Terminal. Anselmo zuckte zusammen. Er wusste, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb, bis sie kommen und ihn töten würden.
    Aber immer noch genug Zeit für den rubus flammeus , den ›feurigen Busch‹. Ein Programm, das er vor über einem Jahr auf Anweisung des damaligen Papstes geschrieben hatte. Johannes Paul III. hatte ihm damals das heilige Versprechen abgenommen, die Software in den Tiefen der vatikanischen Rechnerstrukturen zu verstecken und ihre Existenz unter allen Umständen geheim zu halten. Ebenso geheim wie Anselmos gleichzeitige Aufnahme in den Orden vom Heiligen Schwert. Nun war der Augenblick gekommen, den Knopf zu drücken.
    Anselmo verlor keine Zeit mehr, denn er rechnete jeden Augenblick damit, dass sein Terminal abgeschaltet wurde. Ohne über die ungeheuerlichen Folgen nachzudenken, startete er zwei einfache Scripte, die eine unaufhaltsame Kettenreaktion im System auslösten. Einen wahren Software-Dämon, der, einmal entfesselt, nicht mehr zu exorzieren war. Er schaltete nicht nur sämtliche Computerterminals im Vatikan ab, sondern überhaupt das gesamte System. Aber zuvor blockierte er noch alle Internetports, wütete in den Logfiles, ließ die Telefone verstummen, störte die Frequenzen von Radio Vaticano und den Mobilfunk, löschte das Licht, die Küchenherde und die PIN-Codes sämtlicher Schließanlagen, verriegelte die Türen und versetzte die Schweizer Garde in Alarm. Der rubus flammeus war ein elektronischer Amoklauf, der den Vatikan verstummen und erstarren ließ. Vielleicht genug, so hoffte Anselmo, um ihm ein wenig Vorsprung zu verschaffen. Es gab eine Chance.
    Als die Server erstarben und mit ihnen Hunderte von Leuchtdioden, als sein Monitor schwarz wurde und das Licht ausging, rannte Anselmo zur Tür. In dem Gang dahinter war kein Mensch zu sehen. Anselmo stürmte im Dunkeln weiter zur Treppe, hinauf ins nächste Stockwerk. Auf dem Treppenabsatz erkannte er zwei schemenhafte Gestalten im Dunkeln und blieb abrupt stehen. Aber die beiden Techniker diskutierten nur verstört darüber, was gerade passiert war. Ohne sie zu beachten oder ihnen zu antworten, als sie nach ihm riefen, rannte Anselmo weiter. Die Treppe führte zwar hinauf ins Freie, doch Anselmo schätzte, dass ihn seine Mörder da draußen bereits erwarteten. Daher nahm er einen Seitengang, der als Notausgang diente und zu der riesigen Tiefgarage des Vatikan führte. Und von dort ins Freie. Ins Leben.
    In der Tiefgarage hetzte er im Zickzack zwischen den parkenden Autos hindurch zur Rampe, hinauf zum nächsten Parklevel. Dann weiter, nur weiter, keuchend die Rampe hinauf, wo oben mit einem leichten Wind der goldene Dunst des römischen Abends hereinwehte. Anselmo war ein guter Läufer. Er konnte es schaffen. Dann sah er seitlich Scheinwerfer aufflammen und hörte, wie ein Wagen Gas gab. Dann Schüsse. Neben ihm zerplatzten Autoscheiben, und Anselmo spürte plötzlich einen Schlag an seinem rechten Ohr, der ihn ins Stolpern brachte. Aber er rannte weiter. Einfach weiter. Er rannte um sein Leben, hinauf zum Licht, während gleichzeitig irgendwo im Limbus des Internets eine Nachricht auf ihn wartete, die ihn niemals

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