Collector’s Pack
schlagen.
»Wisst ihr eigentlich, wie lieb ich euch habe?«, fragte sie.
»Neeee!«, kreischten sein Bruder und er und bewarfen sie mit Sand.
Der Leuchtturm war rot und weiß, die Welt roch nach Schafskacke, dem Aftershave seines Vaters und der Liebe seiner Mutter. Eine gute Welt.
Ich will, dass alles so bleibt, wie es gerade ist.
»Lasst uns ein Foto machen! Wer will?«, rief sein Vater.
»Ich!«, schrie Peter. Sein Vater reichte ihm den schweren, glänzenden Fotoapparat und zeigte ihm, wo er draufdrücken musste. Seine Eltern nahmen Niko in die Mitte, kniffen ihn so lange in die Seite, bis er lachte, und Peter drückte ab. Ein schönes, klackendes Geräusch, das den Moment und alles ringsum einfing wie einen zahmen Vogel.
»Nochmal!«, rief Peter, weil das Geräusch des Auslösers so schön war. Seine Mutter kniff Niko wieder lachend in die Seite, bis er sich mit einem entrüsteten Schrei losriss und fortstürmte, den Deich hinab zum Parkplatz. Peter wollte hinterher, doch sein Vater verlangte erst den Fotoapparat zurück. Dann endlich durfte er los, seinem Bruder hinterherrennen.
Peter erkannte Dr. Seth sofort auf dem einsamen Parkplatz. Er trug wie immer einen weißen Anzug. Die Männer in dem Wagen hinter ihm auch. Dr. Seth hielt Niko im Arm, der sich gar nicht wehrte. Er wirkte nur ganz steif, und Peter verstand, dass der Riss in der Welt zu groß war für seinen Bruder und ihn.
Peter wandte sich um und sah seine Eltern, die ihm Arm in Arm über den Deich folgten. Dann plötzlich ihr Entsetzen, als sie Dr. Seth erkannten.
»Lauft!«, brüllte sein Vater. Peter spürte, wie seine Mutter ihn an der Hand packte und mit ihm zurück über den Deich rannte, weg von Dr. Seth. Die Männer in dem Wagen stürmten ihnen hinterher. Sein Vater versuchte noch, den grünen Wagen zu erreichen, aber die Männer packten ihn und schlugen ihn nieder. Und die ganze Zeit über hörte Peter seinen Bruder jetzt schreien.
»Peter! … PETER!« Immer wieder.
Dr. Seth hielt Niko immer noch fest. Peter riss sich von seiner Mutter los.
»Wir müssen Niko mitnehmen!«
In diesem Moment schrie seine Mutter auf, und er sah das Feuer in ihren Haaren. Verzweifelt versuchte sie, das Feuer mit den Händen auszuschlagen, aber es griff auf ihren ganzen Körper über.
»Lauf, Peter! Lauf!«, schrie sie ihm zu.
»Wir müssen Niko mitnehmen!«
»Zu spät!«, schrie sie, während sie zu Boden sackte und Rauch und Flammen ihren ganzen Körper einhüllten. »Aber du musst ihn wiederfinden, hörst du? Eines Tages musst du ihn finden und zurückbringen. Versprich mir das!«
Und als er stumm nickte und fassungslos zusah, wie sich seine brennende Mutter am Boden wand, rief sie noch: »Ich liebe dich. Und nun lauf!«
L
11. Juli 2011, Annapurnamassiv, Himalaja
I ch preise dich, Vater. Ich, als dein eigener Sohn, den du, Seth, ohne Geburt hervorgebracht hast zur Ehre des Lichts. Denn ich bin dein eigener Sohn. Und du bist mein Verstand, mein Vater. Und ich, ich habe gesät, und ich habe gezeugt. Aber du hast das Licht gesehen. Du hast dich hingestellt, wobei du unvergänglich bist. Ich preise dich, Vater. Segne mich! Denn deinetwegen existiere ich.«
Er murmelte wieder die fast vergessenen Worte in der anderen Sprache . Die Formel, die sie jedes Mal hatten sprechen müssen, ohne ihren Sinn zu erfassen, wenn sie IHM gegenübertraten. Peter erinnerte sich wieder an das beklemmende Gefühl der Unterwerfung allein durch diese Worte.
»Mein Sohn.« Maria trat auf ihn zu und berührte ihn sanft an der Wange. Peter zuckte zurück.
»Nicht«, flüsterte Peter. »Lass das.«
Alles kam zurück. Der ganze Schmerz und die kurze Zeit der Wunder. Der Tod seiner Mutter, der Duft ihrer Liebe, die Gewissheit, vollständig zu sein, und die dumpfe Bedrückung all die Jahre danach, es nicht mehr zu sein. Die Tür war wieder offen, und Peter wusste, dass sie sich nun nie mehr schließen würde.
Weil er zurückgekehrt war. Aber das machte auch eine andere Erkenntnis unausweichlich.
Du bist der Schlüssel. Der Zünder an der Bombe. Der apokalyptische Reiter. Du hast es immer geahnt.
Die Mönche im Kreis um den steinernen Altar mit dem Kokon schwiegen immer noch. Irgendwo hinter ihm stand Nikolas.
Niko. Dein Bruder Niko. Den du verlassen hast.
Peter konnte sein Atmen hinter sich hören und auch Marias Atmen. Er sah, wie ihre Brust sich hob und senkte und vermied es, ihr in die Augen zu sehen. Seine Augen.
»Sieh mich an, Peter.«
Nein.
»Sie haben
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