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Collins, Suzanne

Collins, Suzanne

Titel: Collins, Suzanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flammender Zorn (Die Tribute von Panem Bd 3)
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zurückließ, noch schlimmer
war als der Tod. Wollte ich Peeta nicht auch mit der Spritze töten, um ihn vor
dem Kapitol zu bewahren? War das der einzige Ausweg? Wahrscheinlich nicht, aber
damals habe ich keinen anderen gesehen.
    Meine Mutter muss wohl der Meinung gewesen sein, dass das
Lied für eine Siebenjährige nicht geeignet war. Schon gar nicht für eine, die
sich selbst Ketten aus Seil knüpft. Wir kannten den Tod durch den Strang ja
nicht nur aus Geschichten. In Distrikt 12 wurden viele Menschen auf diese Weise
hingerichtet. Ganz sicher wollte meine Mutter nicht, dass ich das Lied im
Musikunterricht vorsang. Wahrscheinlich würde es ihr auch nicht gefallen, dass
ich es jetzt Pollux vorsinge, aber wenigstens werde ich nicht - Moment, da habe
ich mich getäuscht. Als ich zur Seite schaue, sehe ich, dass Castor mich
gefilmt hat. Alle gucken mir gebannt zu. Pollux laufen Tränen über die Wangen,
bestimmt hat mein verrücktes Lied irgendein schreckliches Ereignis in seinem
Leben wieder hochkommen lassen. Na super. Seufzend lehne ich mich an den
Baumstamm. Und da singen die Spotttölpel ihre Version vom »Henkersbaum«. Aus
ihren Kehlen klingt es ganz schön. Ich bin mir bewusst, dass ich gefilmt
werde, und stehe still da, bis Cressida ruft: »Schnitt!«
    Lachend kommt Plutarch auf mich zu. »Wo hast du das denn
her? Hätten wir das so geplant, niemand würde es dir abnehmen!« Er nimmt mich
in die Arme und gibt mir einen Schmatz auf den Kopf. »Du bist Gold wert!«
    »Ich hab das nicht für die Kamera gemacht«, sage ich.
    »Umso besser, dass sie eingeschaltet war«, sagt er. »Los
jetzt, alle, es geht zurück in die Stadt!«
    Der Rückweg durch den Wald führt uns zu einem Felsen, und
wie zwei Hunde, die mit dem Wind eine Fährte wittern, wenden Gale und ich den
Kopf in dieselbe Richtung. Cressida merkt es und fragt, was da ist. Ohne uns
abzusprechen, geben wir zu, dass wir uns an der Stelle früher immer zur Jagd
getroffen haben. Wir sagen ihr, dass da nichts Besonderes ist, aber sie möchte
die Stelle trotzdem sehen.
    Nur ein Ort, an dem ich glücklich war, denke ich.
    Unser Felsvorsprung, von dem aus man das Tal überblickt.
Vielleicht nicht so grün wie sonst, doch die Brombeersträucher hängen voll.
Hier begannen zahllose Tage, an denen wir jagten und Fallen stellten, fischten
und sammelten, gemeinsam durch den Wald streiften und, während wir die
Jagdtaschen füllten, unsere Herzen erleichterten. Es war die Tür zu unserem
leiblichen und seelischen Wohl. Und wir waren der Schlüssel zur Tür des
jeweils anderen.
    Jetzt gibt es keinen Distrikt 12 mehr, aus dem man fliehen
könnte, keine Friedenswächter, die es zu überlisten gälte, keine hungrigen
Mäuler, die gestopft werden müssten. Das alles hat uns das Kapitol genommen,
und jetzt bin ich nahe dran, auch noch Gale zu verlieren. Was uns all die Jahre
so zusammengeschweißt hat, dass wir aufeinander angewiesen waren, das schmilzt
dahin. Zwischen uns ist jetzt kein Licht, nur dunkle Schatten. Wie ist es
möglich, dass wir heute, angesichts des Untergangs von Distrikt 12, so
zerstritten sind, dass wir nicht mal miteinander reden können?
    Gale hat mich mehr oder weniger angelogen. Das finde ich
unmöglich, selbst wenn es ihm um mein Wohl ging. Aber seine Entschuldigung
wirkte aufrichtig. Und ich habe darauf mit einer gehässigen Bemerkung
reagiert, die ihn verletzen sollte. Was ist mit uns los? Warum haben wir
ständig Streit, warum ist alles so verfahren? Irgendwie spüre ich, dass mein
Verhalten die Wurzel des Übels ist. Will ich ihn etwa vertreiben?
    Ich pflücke eine Brombeere und rolle sie sanft zwischen
Daumen und Zeigefinger. Unvermittelt wende ich mich zu ihm und werfe ihm die
Brombeere zu. »Und möge das Glück ...«, sage ich. Ich werfe sie so hoch, dass
er genügend Zeit hat, zu entscheiden, ob er sie wegschlagen oder annehmen
will.
    Gale schaut zu mir, nicht zu der Beere, doch im letzten
Moment macht er den Mund auf und schnappt sie. Er kaut, schluckt und erst nach
einer langen Pause sagt er: »... stets mit euch
sein.« Aber er sagt es.
    Cressida lässt uns in einer Ecke zwischen den Felsen
hinsetzen, wo wir uns unmöglich nicht berühren
können, und lenkt das Gespräch auf die Jagd. Was uns in den Wald getrieben habe,
wie wir uns kennengelernt hätten, besondere Momente, an die wir uns erinnerten.
Wir tauen auf, lachen ein wenig, als wir von kleinen Katastrophen mit Bienen,
wilden Hunden und Stinktieren erzählen. Cressida fragt, was es

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