Collins, Suzanne
die Militäreinheit von 13 nicht nur funktioniert,
sondern übermächtig ist, und vor allem, drittens, dass der Spotttölpel noch
lebt. Fragen?«
»Können wir einen Kaffee bekommen?«, fragt Finnick.
Dampfende Tassen werden verteilt. Voller Abscheu schaue
ich auf die glänzende schwarze Flüssigkeit. Ich war noch nie ein großer Freund
von dem Zeug, aber vielleicht kann ich mich damit besser auf den Beinen
halten. Finnick kippt mir etwas Sahne in meine Tasse und langt in das
Zuckerschälchen. »Möchtest du ein Stück Zucker?«, fragt er mit seiner alten
Verführerstimme. So haben wir uns kennengelernt, Finnick bot mir Zucker an.
Umgeben von Pferden und Wagen, kostümiert und geschminkt für die Massen. Bevor
wir Verbündete wurden. Bevor ich eine Ahnung hatte, wie er tickt. Bei der
Erinnerung daran muss ich tatsächlich lächeln. »Hier, damit schmeckt es
besser«, sagt er mit seiner normalen Stimme und lässt drei Stück Zucker in meinen
Kaffee fallen.
Als ich mich umdrehe, um mein Spotttölpelkostüm anzuziehen,
sehe ich, wie Gale unglücklich zu Finnick und mir schaut. Was soll das jetzt?
Denkt er etwa, da läuft was zwischen uns?
Vielleicht hat er mitgekriegt, dass ich letzte Nacht bei
Finnick war. Auf dem Weg zu ihm bin ich wahrscheinlich am Lager der Hawthornes
vorbeigekommen. Das ist ihm wohl gegen den Strich gegangen. Dass ich Finnicks
Nähe gesucht habe und nicht seine. Na, wennschon. Meine Finger brennen vom
Knotenmachen, ich kann die Augen kaum offen halten, ein Kamerateam wartet
darauf, dass ich irgendwas Geniales zustande bringe, und Snow hat Peeta in
seiner Gewalt. Soll Gale doch denken, was er will.
Noch ehe der Kaffee abgekühlt ist, hat mein Vorbereitungsteam
mich in dem neuen Erneuerungsstudio in der Waffenabteilung in mein
Spotttölpelkostüm gesteckt, frisiert und dezent geschminkt. Zehn Minuten später
begeben sich die Darsteller und das Team des nächsten Propos über die vielen
gewundenen Treppen nach draußen. Unterwegs schlürfe ich meinen Kaffee, der
durch Sahne und Zucker deutlich gewinnt. Als ich den Kaffeesatz runterkippe,
der sich in der Tasse abgesetzt hat, merke ich, dass ich mich leicht berauscht
fühle.
Nach einer letzten Treppe betätigt Boggs einen Hebel und
eine Falltür öffnet sich. Frische Luft strömt herein. Ich atme tief durch, und
erst jetzt kann ich mir in Gänze eingestehen, wie grässlich ich es im Bunker
fand. Wir kommen in den Wald und ich lasse die Hände durch die Blätter über
meinem Kopf gleiten. Einige fangen schon an, sich zu verfärben. »Der Wievielte
ist heute?«, frage ich niemand Bestimmten. Boggs antwortet, dass nächste Woche
der September anfängt.
September. Dann hat Snow Peeta jetzt schon fünf oder sechs
Wochen in seinen Klauen. Ich schaue auf meine Hand und sehe, dass sie zittert.
Ich schaffe es nicht, das Zittern zu unterdrücken. Ich schiebe es auf den
Kaffee und konzentriere mich darauf, langsamer zu atmen, denn für das Tempo, in
dem ich gehe, atme ich viel zu schnell.
Je weiter wir vordringen, desto mehr Trümmer liegen auf
dem Waldboden verstreut. Wir sehen den ersten Bombenkrater, dreißig Meter
breit, wie tief er ist, weiß ich nicht. Sehr tief. Boggs sagt, wahrscheinlich
wäre jeder auf den obersten zehn Ebenen getötet worden. Wir gehen um die
Vertiefung herum und marschieren weiter.
»Kann man das wiederaufbauen?«, fragt Gale.
»Nicht in nächster Zeit. Die Bombe hier hat kaum Schaden
angerichtet. Nur ein paar Ersatzgeneratoren und eine Geflügelfarm«, sagt
Boggs. »Wir sperren den Krater einfach ab.«
Als wir den Zaun hinter uns lassen, gibt es keine Bäume
mehr. Die Krater sind von einer Mischung aus altem und neuem Schutt umringt.
Vor der Bombardierung war nur ein kleiner Teil von Distrikt 13 oberirdisch. Ein
paar Wachstationen. Das Übungsgelände. Etwa ein halber Meter der obersten Etage
unseres Trakts - wo Butterblumes Fenster hinausging - und darüber ein paar
Meter Stahl. Selbst das war nicht dafür gebaut, mehr als einem oberflächlichen
Angriff standzuhalten.
»Wie viel Zeit hattet ihr durch Peetas Warnung?«, fragt
Haymitch.
»Ungefähr zehn Minuten später hätte unser Alarmsystem die
Geschosse identifiziert«, sagt Boggs.
»Aber es hat was gebracht, oder?«, frage ich. Ich ertrage
es nicht, wenn er jetzt Nein sagt.
»Auf jeden Fall«, antwortet Boggs. »Die Zivilbevölkerung
konnte vollständig evakuiert werden. Bei einem Angriff zählt jede Sekunde. Zehn
Minuten bedeuten, dass viele Leben gerettet
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