Collins, Suzanne
heißen, dass wir am eigentlichen Kampf gar nicht
beteiligt sind?«, fragt Gale schroff.
»Ihr werdet kämpfen, aber vielleicht nicht immer an
vorderster Front. Falls man bei einem solchen Krieg überhaupt eine Front
ausmachen kann«, sagt Plutarch.
»Das will keiner von uns.« Auf Finnicks Bemerkung folgt zustimmendes
Gemurmel, nur ich bleibe still. »Wir werden kämpfen.«
»Ihr werdet der Sache auf bestmögliche Weise dienen«, sagt
Plutarch. »Und es ist entschieden worden, dass ihr uns im Fernsehen am meisten
nützt. Denkt daran, was für eine Wirkung Katniss hatte, als sie in ihrem
Spotttölpelkostüm herumlief. Das hat der Rebellion überhaupt erst den richtigen
Dreh gegeben. Merkt ihr, dass sie die Einzige ist, die sich nicht beschwert?
Weil sie nämlich die Macht der Bildschirme begreift.«
In Wirklichkeit beschwert Katniss sich nicht, weil sie
nicht vorhat, beim »Star-Trupp« zu bleiben, jedoch erkannt hat, dass sie erst
mal ins Kapitol muss, bevor sie irgendeinen anderen Plan verfolgen kann. Doch
wenn ich jetzt zu nachgiebig bin, könnte das auch verdächtig sein.
»Aber wir tun nicht nur so, als ob, oder?«, frage ich.
»Das war echte Talentverschwendung.«
»Keine Sorge«, sagt Plutarch. »Es wird genügend echte
Ziele geben, auf die ihr schießen könnt. Aber lasst euch nicht in die Luft
jagen. Ich habe genug um die Ohren, auch ohne euch ersetzen zu müssen. Jetzt ab
ins Kapitol, und zeigt, was ihr könnt!«
An dem Morgen, als wir ausrücken, verabschiede ich mich
von meiner Familie. Zwar erzähle ich nicht, wie sehr die Abwehr des Kapitols
an die Waffen in der Arena erinnert, aber allein dass ich in den Krieg ziehe,
ist schrecklich genug. Meine Mutter hält mich lange Zeit ganz fest. Ich spüre
die Tränen auf ihrer Wange; als ich damals in die Spiele ziehen musste, hat sie
sie zurückgehalten. »Mach dir keine Sorgen. Mir kann gar nichts passieren. Ich
bin ja noch nicht mal ein richtiger Soldat. Nur eine von Plutarchs
Fernsehmarionetten«, beruhige ich sie.
Prim bringt mich bis zur Tür der Krankenstation. »Wie geht
es dir?«
»Besser, jetzt, wo du hier bist und Snow dir nichts
anhaben kann«, sage ich.
»Wenn wir uns das nächste Mal sehen, sind wir von ihm befreit«,
sagt Prim entschlossen. Dann schlingt sie mir die Arme um den Hals. »Pass auf
dich auf.«
Ich überlege, ob ich mich noch von Peeta verabschieden
soll, komme aber zu dem Schluss, dass es uns beiden nicht guttun würde. Dafür
stecke ich die Perle in die Tasche meiner Uniform. Ein Andenken an den Jungen
mit dem Brot.
Ein Hovercraft bringt uns ausgerechnet nach Distrikt 12,
wo ein provisorischer Verladebahnhof außerhalb des Kampfgebiets errichtet
wurde. Diesmal keine Luxuszüge, sondern ein Güterwaggon, rappelvoll mit
dunkelgrau uniformierten Soldaten, die mit dem Kopf auf ihren Rucksäcken
schlafen. Nach mehreren Reisetagen steigen wir in einem der Tunnel aus, die
durch die Berge zum Kapitol führen, und marschieren dann noch sechs Stunden zu
Fuß, wobei wir darauf achten, immer auf der grünen Leuchtlinie entlangzugehen,
die den sicheren Weg nach oben kennzeichnet.
Wir kommen am Feldlager der Rebellen heraus, das sich über
zehn Straßenabschnitte vor dem Bahnhof erstreckt, an dem Peeta und ich auch
früher schon angekommen sind. Dort wimmelt es schon von Soldaten. Unserer
Gruppe wird eine Stelle zugewiesen, wo wir unsere Zelte aufschlagen können.
Schon seit über einer Woche halten die Rebellen dieses Areal. Sie haben die
Friedenswächter vertrieben, was Hunderte Menschenleben gekostet hat. Die
Truppen des Kapitols haben sich zurückgezogen und weiter im Zentrum der Stadt
neu formiert. Zwischen uns liegen, leer und einladend, die Straßen mit den
versteckten Sprengladungen. Bevor wir weiter vorrücken können, werden wir erst
mal alle Kapseln vernichten müssen.
Mitchell fragt nach Hoverplane-Bombardements, denn wir
fühlen uns ziemlich nackt hier auf offenem Feld, aber Boggs sagt, damit sei
nicht zu rechnen. Die Luftflotte des Kapitols hier und in Distrikt 2 wurde bei
dem Einmarsch größtenteils zerstört. Wenn sie überhaupt noch Hoverplanes
haben, werden sie nicht riskieren, dass sie abgeschossen werden. Sie brauchen
sie, damit Snow und seine Vertrauten notfalls im letzten Moment in einen
Präsidentenbunker flüchten können. Unsere eigenen Hoverplanes wurden nicht mehr
eingesetzt, nachdem die Luftabwehr des Kapitols die ersten Angriffswellen
stark dezimiert hatte. Dieser Krieg wird auf der Straße geführt
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