Colombian Powder
aufriss und in den schattigen Garten davonstürzte. Ihr Kopf hatte auf Autopilot umgeschaltet.
Sie jagte zwischen Sträuchern und Blumenbeeten hindurch, so schnell es ihr die Dämmerung erlaubte und versuchte, die brüllende Stimme in ihrem Inneren zu ignorieren, dass ihre Flucht ausweglos war.
»Stehenbleiben!« Der Schrei gellte zwischen den Mauern der umliegenden Häuser wider und ließ Nina erstarren wie das Kaninchen vor der Schlange.
Sie würde sich auf keinen Fall umdrehen, nur um in die Mündung eines Revolvers zu starren. Langsam hob sie die Arme. Das war es also – das gefürchtete Ende!
Man packte sie rüde an der Schulter und drückte sie an eine Hauswand, riss ihr die Arme nach hinten. Dann spürte sie das kalte Metall von Handschellen an den Gelenken.
»Schön, dass Sie auf mich gewartet haben!« Ein Typ jener Sorte, die in CSI New York mitspielen, schlenderte gelassen auf sie zu. »Kommissar Oliver Paschke, Kripo Berlin.« Er gab den beiden Polizisten, die sie von beiden Seiten flankierten, ein Zeichen.
»Sie sind vorläufig festgenommen.«
Inzwischen war es in den umliegenden Häusern lebhaft geworden und die Bewohner machten aus ihren Fenstern lange Hälse, um den Grund der plötzlichen Unruhe zu erspähen. Als sie zurück zur Straße geführt wurde, spürte Nina von überall neugierige und verachtende Blicke auf sich. In Garten wurden Stimmen laut, die offenbar dem Eigentümer gehörten. Deftige Ausdrücke flogen in Ninas Richtung, und sie war froh, in den eben eingetroffenen Krankenwagen steigen zu können. Das Letzte, das Nina registrierte, war ein heranrasender Notarztwagen, dann sank sie auf ihrem Sitz zusammen. Off.
Die Fahrt war kurz und endete vor der Notaufnahme eines Krankenhauses.
»Wir müssen sichergehen, dass Ihnen bei dem Unfall nichts passiert ist.« Kommissar Paschke und eine Beamtin begleiteten sie in einen Untersuchungsraum.
Noch einmal überprüfte Nina im Schnelldurchlauf ihren Körper, aber sie konnte sich normal bewegen und hatte weder Wunden noch Schmerzen. Es schien ganz so, als hätte allein Beate die ganze Wucht des Aufpralls abbekommen.
»Setzen Sie sich auf die Untersuchungsliege und machen Sie den Oberkörper frei«, wies eine Krankenschwester Nina an, nachdem sie Paschke vor die Tür geschickt hatte. Sie legte Nina eine Blutdruck-Manschette an und befestigte das Kabel für eine EKG-Messung an ihrer Brust.
Dann verließ sie den Raum durch eine Schwingtür, und Stimmen von draußen drangen an Ninas Ohr. Mit einem Mal durchzuckte es sie wie ein Stromschlag. Sie riss Mund und Augen auf und lauschte angestrengt. Sie hätte schwören können, eine bekannte Stimme gehört zu haben. In diesem Moment ging die Tür wieder auf, und ein Arzt betrat den Raum.
»Dann wollen wir mal sehen«, murmelte er und taxierte sie über den Rand seiner Brille.
»Können Sie mir sagen, wer vor der Tür steht?«, fragte Nina gerade heraus.
Der Arzt stutzte. »Keine Ahnung.«
»Bitte sehen Sie nach! Ich muss wissen, wer dort draußen ist.« Es war Nina völlig egal, dass sie der Arzt mit einem gereizten Blick bedachte, solange er nur aufstand und die Tür öffnete.
Sofort verstummte das leise geführte Gespräch auf dem Gang, und Nina konnte einen Blick auf den Rücken von Paschke erhaschen. Wenn er doch nur einen Schritt zur Seite ginge!
»Es sind zwei Kripo-Beamte«, klärte sie der Arzt auf.
Zwei Kripo-Beamte, dachte Nina. Dann musste sie sich vorhin einfach verhört haben, denn diese Stimme konnte unmöglich dort draußen gesprochen haben.
»Es ist alles in Ordnung mit Ihnen. Sicherheitshalber machen wir noch ein paar Röntgenbilder, dann sind Sie von uns entlassen. Was allerdings die Herren da draußen mit Ihnen vorhaben, sieht nicht nach Entlassen aus«, fügte der Arzt ironisch hinzu.
Nina brauchte zwei Anläufe, um sich auf der Liege aufzusetzen, so sehr zitterten ihr die Glieder. Der Arzt half ihr schließlich und betrachtete sie kritisch.
»Ich kann Ihnen ein Beruhigungsmittel geben, wenn Sie wollen.«
Nina nickte sofort. Alles, was ihre Wahrnehmung dämpfte, war willkommen. Das Geschehen der letzten Stunde hatte sie zwar wahrgenommen, aber noch nicht ganz realisiert.
Regungslos und etwas benebelt saß Nina bald in einem Streifenwagen, in Begleitung von Kommissar Paschke, der zu ihrer Verwunderung alleine vor der Tür zum Untersuchungszimmer gewartet hatte. Die anschließende Fahrt ging geradewegs zum Landeskriminalamt in Berlin-Tempelhof. Weder der Fahrer noch
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