Colombian Powder
ihre ehemalige Zimmergenossin ihr bescheidenes Gehalt bei Bürkers regelmäßig mit diversen Ausflügen aufbesserte. Für Ferdinand, den Kneipen-Wirt, unternahm sie allmonatlich eine Fahrt nach Holland, um ihn und seine Kunden mit Ecstacy-Tabletten und Marihuana zu versorgen. Damals hatte sich Nina nicht an den Geschäften der beiden gestört. Sie war einfach nur froh gewesen, in Beate eine Freundin gefunden zu haben, dass sie sich mit Moralfragen nicht lange aufhielt. Wer rauchte heutzutage nicht ab und zu ein bisschen Gras?
Der Bus kam und Nina setzte sich wie automatisch in Bewegung. Sie suchte sich einen Fensterplatz und starrte nach draußen. Wenn ihre Intuition sie nicht täuschte, würde ihr der Kolumbianer heute Abend etwas Ähnliches vorschlagen, und das ließ ihr ein äußerst seltsames Gefühl den Rücken hinaufkriechen.
Kurze Zeit später stieg sie das muffige Treppenhaus des Mietshauses hinauf, in dem die WG lag. Die letzte Nacht hatte sie in Beates Wasserbett verbracht, aber für den Abend brauchte sie unbedingt frische Kleidung aus ihrem Schrank. Im Gehen sah sie die Post durch, die wie gewohnt niemand aus dem Briefkasten genommen hatte, und seufzte, als sie zwei Rechnungen mit ihrem Namen entdeckte.
Kaum hatte sie die Wohnungstür aufgeschlossen, kam ihr der Terrier eines WG-Kollegen entgegen. Winselnd sprang er Nina am Hosenbein hoch und drehte wie verrückt Runden um ihre Füße. Wenigstens einer, der sich über ihr Auftauchen freute. Sie warf einen Blick in die Küche, die genauso verlassen schien wie der Rest der Wohnung. Die Arbeitsplatte war rot verschmiert, was Nina auf Ketchup tippen ließ, und im Waschbecken stapelte sich ein Gebirge von schmutzigem Geschirr. Der Hund tanzte aufgeregt um seinen Napf in der Ecke herum. Sah ganz so aus, als hätte der arme Kerl den ganzen Tag noch nichts zu fressen bekommen. Seufzend öffnete Nina auf der Suche nach Hundefutter den Kühlschrank und musste feststellen, dass jemand ihren ganzen Vorrat an Obst und Joghurt geplündert hatte. Verärgert pfefferte sie die Tür wieder zu und suchte in sämtlichen Schränken, bis ihr endlich eine Packung mit Trockenfutter in die Hände fiel.
Anschließend stellte sie sich unter die Dusche, nicht ohne zuvor die Büschel fremder Haare mühsam aus der Duschtasse zu entfernen. Mit geschlossenen Augen lehnte sich Nina an die verkalkten Fliesen und träumte sich in eine eigene, saubere Wohnung, so wie Beate nun eine besaß.
Es war noch nicht acht Uhr, als Beate unten an der Haustür klingelte. Verdutzt sah Nina auf die Uhr. Das Treffen musste Beate verdammt wichtig sein, wenn sie, die es mit Pünktlichkeit normalerweise nicht so genau nahm, schon vor der vereinbarten Zeit auftauchte. Schnell fuhr sich Nina mit dem Kamm noch einmal durch ihre kurzen, goldblonden Locken. Engelslocken hatte ihre Mutter immer gesagt, bevor Nina sie nach ihrer Ankunft in Berlin radikal gekürzt hatte. Schnell wischte sie diese Gedanken weg. Ein letzter Blick in den Spiegel ließ Nina zufrieden nicken. Sie trug ihre enge schwarze Lederhose und dazu ein weißes Wickeltop, das unaufdringlich und sexy zugleich wirkte.
Minuten darauf brausten die beiden Frauen in Beates nagelneuem silbergrauem BMW, einem Geschenk von Ramon, durch das regnerische Berlin und hielten vor dem Hotel Adlon. Dort übernahm ein Page das Fahrzeug und brachte es in die Parkgarage, nachdem Beate ihm lässig die Wagenschlüssel zugeworfen hatte.
»Aufgeregt?«, Beate warf einen mitleidigen Blick auf Ninas ineinander gekrampfte Hände. »Keine Sorge, Ramon wird dich nicht fressen. Er verspeist grundsätzlich nur japanische Jungfrauen.«
»Na dann«, erwiderte Nina mit dünner Stimme. Mit Mandelaugen konnte sie nicht aufwarten. Was jedoch die Unberührtheit betraf …
»Eines musst du dir jedenfalls merken«, fuhr Beate fort, bevor sie ausstiegen. »Wenn Ramon dir Koks anbietet, darfst du auf keinen Fall annehmen. Es könnte sein, dass er dich testen will.«
Nina erschrak, mehr darüber, wie selbstverständlich Beate über Drogen sprach. »Worauf sollte er mich testen wollen?«
»Es gibt ein paar ungeschriebene Gesetzte im Milieu, wenn es ums Geschäft geht.«
Wenn es ums Geschäft geht. Die Worte schwangen in Ninas Kopf wie ein Pendel, als sie hinter Beate die Hotelhalle durchquerte und sie mit dem Lift in den fünften Stock hinauffuhren. Schwere Teppiche dämpften ihre Schritte in endlosen Korridoren. Vor einer Doppeltür mit dem Schild Lindensuite blieb Beate
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