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Colombian Powder

Colombian Powder

Titel: Colombian Powder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone A. Siegler
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Bürkers hatte sich in seinem Büro verkrochen und lauerte darauf, dass sie die Kasse abschloss und ihren Spind leerte. Die Räume mit der Gemütlichkeit einer Bahnhofshalle lagen bis auf das leise Surren der Kühlaggregate lautlos da. Nina atmete durch und lehnte sich im Drehsessel zurück. Eigentlich müsste sie am Boden zerstört sein, doch statt Niedergeschlagenheit empfand sie triumphierender Erleichterung, diesen Job los zu sein. Er war nicht das Nonplusultra gewesen, doch so einen Bullshit hatte sie sich nicht vorgestellt. Von Bürkers Übergriffen, wobei das Wort greifen wörtlich zu verstehen ist, einmal abgesehen.
    Vor einem halben Jahr wäre sie Bürkers beinahe um den Hals gefallen, als er sie eingestellt hatte, ohne nach Zeugnissen oder Berufserfahrung zu fragen. Zu spät hatte sie erkannt, was der Filialleiter war – ein verklemmter Wicht, für den zum Arbeitsverhältnis auch Gefälligkeiten nach Dienstschluss zählten. Waren es zu Beginn harmlose Komplimente gewesen, folgten bald eindeutige Annäherungsversuche. Essenseinladungen, Pralinen, Bürkers hatte alle Register gezogen. Auch mit der Aussicht auf eine Gehaltserhöhung konnte er nicht bei Nina landen, und von da an wandelte sich sein Verhalten. Er begann sie zu schikanieren, vor den Kollegen bloßzustellen, ihr jeden Fehler penibel vorzuhalten. Die Situation spitzte sich schließlich zu, als er ihr ganz ungeniert ins Dekolletee griff. Nach dem ersten Grapscher hatte Nina ihn noch verwarnt. Der Zweite – noch keine Stunde alt - wurde von ihr mit einer Ohrfeige belohnt. Ein Mann wie Bürkers schlug selbstredend mit anderen Mitteln zurück. Der Grund für ihre Kündigung lautete wiederholte Differenzen in der Kasse.
    Wenn sie kein Aufheben um die ganze Sache machte, hatte dieser Idiot ihr noch gnädig den Lohn bis zum Ende der Woche in Aussicht gestellt. Wie sollte es danach weitergehen? Mühsam hatte sie sich einen kleinen Notgroschen zur Seite gelegt, eine lächerliche Summe im Vergleich zu ihren laufenden Kosten. Mit einem Schlag fühlte sich Nina in die Zeit zurückversetzt, in der noch völlig unklar war, ob sie in Berlin überhaupt bestehen konnte, oder ob die mondäne Hauptstadt sie ausspucken würde wie ein Stück verfaultes Fleisch.

    Die Verzweiflung packte sie und ließ sie das Nächstliegende tun. Sie zückte ihr Mobiltelefon und wählte eine Nummer. `Beate` zeigte das Display an. Nina straffte die Schultern und atmete durch. Wenn ihr jemand Trost spenden konnte, dann war es ihre Freundin. Beate hatte Bürkers vor einigen Wochen ihrerseits die Kündigung auf den Tisch geknallt. Aber sie konnte sich das leisten, ihre neue Liasion kannte den Begriff sparen nicht – der Kerl schwamm in Knete.
    Nina hatte seit zwei Wochen nichts von Beate gehört, denn diese war erst vor Kurzem von einem Auslandsaufenthalt zurückgekehrt. Erleichtert atmete sie auf, als sie die Stimme der Freundin hörte.
    »Telefonseelsorge Berlin-Mitte, Beate am Apparat. Hilfe in allen Lebenslagen, bevorzugt jedoch in der Horizontalen«. Wie immer, entspannt und bestens gelaunt.
    »Ist dort nicht das Krematorium Wedding? Ich wollte mir einen Verbrennungstermin geben lassen«, begrüßte Nina sie matt. Sie war es inzwischen gewohnt, Beates flapsige Art zu kontern.
    »Hallo, Süße. Du klingst ja fürchterlich. Haben die Finger des Geilisten wieder einmal daneben gegriffen?«
    »So ungefähr«, murmelte Nina. Sie brauchte Beate nichts vorzuspielen. Trotzdem brachte sie es nicht über sich, am Telefon von ihrem Rauswurf zu erzählen. »Bist du zuhause?«
    »Äh, nein, nicht direkt.«
    Nina fragte sich stirnrunzelnd, wie man indirekt zu Hause sein konnte. »Können wir uns heute Abend treffen?« Sie scheute die Vorstellung, sich allein mit ihren Sorgen im Bett zu verkriechen.
    »Hm ... reicht auch ein ordinärer Witz durchs Telefon, um dich aufzumuntern? Ich bin heute Abend belegt.«
    »Belegt – zu Hause sagte man immer, heute kommt der Tierarzt und belegt die Kuh!«
    »Ich bin sicher, dass Tierärzte ganz gut belegen können!« Nina sah das Grinsen der Freundin vor ihrem geistigen Auge.
    »Bitte, Beate. Es ist etwas passiert.«
    »Hast du etwa Dummheiten gemacht?«
    Beate klang ehrlich alarmiert.
    »Weißt du ... wenn alle das täten, was sie mich könnten, dann käme ich nie mehr zum Sitzen«, presste Nina hervor, in der Hoffnung, die Freundin ihre Anspannung nicht merken zu lassen.

    Kurz nach acht stieß Nina die Tür zu der Kneipe »Montana« in Kreuzberg auf. Lieber

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