Colombian Powder
in die Stille hinein gesagt.
»Warum? Sie sind ausgebildeter Drogenfahnder und erfüllen exakt die Voraussetzungen.«
Winter lachte ironisch auf. »Ich bin für diesen Einsatz doch total überqualifiziert! Ich hoffe, das klingt nicht überheblich.«
Er musste seinen Vorgesetzten doch nicht daran erinnern, dass solche Aufgaben gewöhnlich ein für verdeckte Ermittlung ausgebildeter Kollege erledigte.
Kümmler winkte ab. »Was heißt das schon. Der Auftrag ist nicht so kompliziert, um einen Spezialisten hinzuzuziehen. Solche Einsätze haben uns dieses Jahr schon genug gekostet.«
»Warum nehmen Sie dann nicht einen unserer Newcomer? Gerstätt oder Paschke würden sich garantiert darum reißen!« Winter gab sich nicht geschlagen.
Kümmler seufzte, stand auf und kam um den Schreibtisch herum. Er setzte sich neben Winter auf die Tischkante. »Hören Sie, ich beobachte Sie seit Wochen, und was ich sehe, gefällt mir gar nicht«
Er musterte Winter durch seine dicken Brillengläser. »Ich bin voll des Lobes über den letzten Erfolg. Wirklich. Sie alle haben ganze Arbeit geleistet. Jetzt ist der Fall abgeschlossen, und jeder Kollege hat nach so einer Anstrengung Erholung nötig. Am Montag habe ich die Urlaubsanträge von Schulz und Paschke unterschrieben, letzte Woche die von Reimers und Gerstätt. Nur Ihr Schein lässt auf sich warten.«
Winter zuckte mit den Schultern. »Ich fühle mich aber gar nicht urlaubsreif, ich ...”
»Wirklich nicht? Das sehe ich völlig anders«, unterbrach Kümmler ihn. »Sie wirken nicht nur auf mich erschöpft und zerstreut. Gestern habe ich mitbekommen, wie Sie Reimers wegen eines kleinen Fehlers vor allen Kollegen zur Schnecke gemacht haben. Sieht so ein ausgeruhter, voll motivierter Mitarbeiter aus?«
»Was soll das Ganze? Johann, ich bitte Sie!«
Kümmler seufzte. »Schauen Sie, Winter. Wir kennen uns nun bereits so lange. Ich weiß genau, dass es nichts bringt, Sie einfach auf Urlaub zu schicken. Dann würden Sie nämlich alte Akten mit nach Hause nehmen oder klammheimlich eine Fortbildung besuchen.« Er schüttelte den Kopf. »Sie sind ein Arbeitstier. Aber es ist an der Zeit, einmal abzuschalten und die Kraftreserven aufzufüllen.«
»Und dafür schicken Sie mich in die Karibik?«, fragte Winter schon fast amüsiert.
»Exakt! Ich gebe ausgerechnet Ihnen diesen Auftrag, den zugegebenermaßen auch einer unserer Jungspunde erledigen könnte. Für Sie dürfte es daher erst recht kein Problem sein, zwei jungen Frauen auf den Zahn zu fühlen. Darüber hinaus kommen Sie endlich zur Ruhe und vor allem von Ihrem Schreibtisch weg.« Beinahe fürsorglich legte er die Hand auf Winters Schulter. »Lassen Sie einmal locker und atmen Sie durch.«
Er musterte Winters Gesicht eindringlich. »Und genießen sie das gute Essen an Bord. Sie scheinen sich ja nur noch von Kaffee zu ernähren.«
Der Hauptkommissar hatte in der Tat recht. Auch er, Winter, war nach den unzähligen Überstunden der letzten Monate ausgebrannt. Die ganze Abteilung hatte ihre Kraft in der SOKO-Sternstunde gebündelt. Mehrere Privatwohnungen wurden observiert, von denen sich tatsächlich einige als Drogenumschlagplatz entpuppten. Letztendlich konnte sein Team mehrere Dealer, Mittelsmänner, Helfer und Konsumenten festnehmen, die allesamt einen schwungvollen Handel mit verschiedenen Suchtmitteln betrieben hatten.
Winter nippte an seinem Glas und merkte, dass es bereits leer war. Nachdenklich ließ er den Rest des Eiswürfels darin kreisen. Auf Kümmlers Frage, warum er sich so sehr in der Arbeit vergrub, hatte er ausweichend geantwortet. Ihm war selbst nicht klar, was ihn davon abhielt, Urlaub zu nehmen. Er sah sich im Schlafzimmer um, das nur von der Straßenlaterne unter dem Fenster erhellt wurde. War es die fehlende Frau an seiner Seite? Er wusste, dass es nicht wenige gab, die diesen Platz gerne einnehmen würden. Eigentlich bereitete ihm das Leben als Single keinen Verdruss. Er hatte gute Freunde, betrieb regelmäßig Sport und konnte sich in seiner Arbeit völlig entfalten. Im Grunde konnte er sich glücklich schätzen.
Schließlich verließ er den dunklen Raum und ging in die Küche. Er holte ein Tiefkühlgericht aus dem Gefrierfach und bugsierte es in die Mikrowelle.
Kümmler hatte auch in dieser Hinsicht recht, gesunde Ernährung hatte er in letzter Zeit sträflich vernachlässigt. Tatsächlich trank er tagsüber fast nur noch Kaffee, um sich am Abend an Nudeln und Pizza aus der Tiefkühltruhe satt zu essen.
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