Colombian Powder
Er musste sich eingestehen, dass er diese ungesunde Lebensweise bereits in konditionellen Einbußen spürte.
Sein Blick fiel auf das Prospekt des Kreuzfahrtschiffes, auf dem bereits eine Kabine auf seinen, besser gesagt auf den Namen seiner Deckidentität, gebucht war. Er hätte dem Hauptkommissar keine solche Fantasie zugetraut, mit der dieser in kürzester Zeit Winters neue Personalien erfunden hatte. Noch konnte er sich mit der Rolle, die ihm zugedacht war, nicht anfreunden.
Für Winter mit seiner Erfahrung stellte dieser Auftrag kein Problem dar. Es war nicht das erste Mal, dass er verdeckt arbeitete, doch seit er vor einigen Monaten die stellvertretende Leitung des Drogendezernats im LKA Berlin übernommen hatte, nahm er nur noch an wenigen Einsätzen teil. Seine Aufgaben bestanden nun vorwiegend aus Delegieren. Gerade deshalb reizte es ihn, wieder einmal selbst aktiv zu werden. Etwas widerstrebend musste er zugeben, dass er sich auf die Reise freute.
Die Mikrowelle zeigte piepend das Ende des Garvorganges an und riss ihn aus seinen Gedanken. Der Duft von italienischer Pasta lag in der Luft und ließ seinen Magen knurren. Er ging zur Stereoanlage hinüber, fuhr mit dem Finger über die Rücken der CD-Hüllen und zog schließlich eine heraus. Während er aß und dabei den Prospekt des Kreuzfahrtschiffes studierte, erklangen schwungvolle lateinamerikanische Rhythmen, die ihn in seiner Vorstellung bereits in tropische Landschaften entführten.
Lizenz zum Lügen
»Zu welchem Zweck reisen Sie in Kanada ein?«, die Mitarbeiterin der Air Canada hob fragend die Augenbrauen.
»Wir sind Touristen«, antwortete Beate artig.
»Wie lange wollen Sie bleiben?«
»Drei Wochen. Hier ist unser Rückflugticket.«
Die Angestellte nickte und trug die Daten in zwei Landekarten ein. »Wissen Sie schon, wo Sie wohnen werden? Haben Sie eine fixe Adresse?«
Beate schüttelte den Kopf. »Nein, wir haben einen Leihwagen gebucht und suchen uns ein Motel.«
Am Vormittag des 21. Dezember 2010 hob von Berlin eine Boeing 757 mit dem Ziel Toronto ab. An Bord zwei Freundinnen, die sich allem Anschein nach unbändig auf eine Rundreise durch Kanada freuten. Das sah auch der Einwanderungsbeamte an der Passkontrolle des International Airport Pearson so. Er knallte den Einreisestempel in die Pässe von Beate Schubert und Christina von Sonnenberg-Sardingen und wünschte einen angenehmen Aufenthalt im Land des Maple Leaf.
Am Schalter der Autovermietung mussten sie eine Weile warten und betrachteten das Plakat der angebotenen Fahrzeugtypen.
»Der hier wäre hübsch.« Nina zeigte auf einen geräumigen Mittelklassewagen.
»Wir nehmen den hier.«
»Den Suzuki Swift? Das ist nicht dein Ernst.«
Endlich waren sie an der Reihe, und Beate orderte einen Wagen der Group A, sprich Tretroller.
»Mir wäre so ein Fullsize Crossover auch lieber gewesen«, seufzte Beate und sah zwischen ihrem Minivehikel und dem großen Geländewagen auf dem Parkplatz daneben hin und her. »Aber wir sind ganz normale Touristen und sollten uns auch so benehmen.«
An der Küste des Ontariosees entlang ging es rasch nach Südwesten. Sie nahmen den Freeway Richtung Hamilton und waren nach knapp vier Stunden an der Staatsgrenze angekommen.
»Haben Sie Zigaretten oder Alkohol dabei?«, schnarrte der US-Zöllner am Grenzübergang seinen Standardsatz herunter. Er warf einen abschätzigen Blick auf die kleine Touristenkiste und die Pässe, die Beate ihm reichte, und winkte sie durch, nachdem auch er sich mit einem Stempel in den Pässen verewigt hatte.
»Siehst du, wie einfach die Einreise in die USA am Landweg ist?« Beate schüttelte lachend den Kopf. »Und kommst du mit dem Flugzeug, werden deine Daten auf ewig hier gespeichert.«
Die Fahrt ging noch eine Stunde durch den Bundesstaat Michigan, bis die beiden Frauen ihr nächstes Etappenziel erreichten. Am Wayne County Airport von Detroit kaufte Beate als Erstes ein großes Kuvert und beschriftete es mit einer deutschen Adresse.
»Tschüss, Frau Schubert!« Mit diesen Worten schob sie den Umschlag mit ihren Originalpässen in den Briefkastenschlitz im McNamara Terminal. Von nun an hießen sie Beate Graf und Nina Kaiser und reisten fortan mit Ramons Meisterstücken weiter.
»Endlich!« Nina ließ sich seufzend auf die harte Matratze des Motel-Bettes sinken. »Ich bin hundemüde!«
Der Flug von Detroit nach Miami war verspätet gestartet, und die lange Reise forderte ihren Tribut. Außerdem lag ihr das Super
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