Colombian Powder
eigentlich hier an Bord war, und der Gedanke erzeugte ein unangenehmes Flattern im Magen. Sie konnte Beates Blick noch immer auf sich spüren, den sie ihr zugeworfen hatte, als Jens an die Bar gegangen war. Es bedurfte keiner Worte, Nina wusste auch so, dass er ab sofort als ihr Favorit galt. Konnte sie sich vorstellen, dass Jens das Kokain nach Deutschland brachte? Er würde völlig ahnungslos sein. Nina konnte es beinahe schon vor sich sehen, wie Jens mit ihrem Koffer auf die Gepäckkontrolle am Flughafen zuschritt. Ihr Magenflattern verstärkte sich. Ärgerlich warf sie sich auf den Bauch, sodass die Frau auf der Nebenliege irritiert von ihrer Lektüre aufsah. Für Gewissensbisse war es zu spät. Nina hatte in das Unternehmen eingewilligt, und sie würde alles tun, um damit Erfolg zu haben.
Als die Schatten langsam länger wurden, packten Beate und Nina ihre Sachen zusammen, um wenig später frisch geduscht das Abendrestaurant zu betreten. Das weitläufige Lokal lag direkt hinter der Eingangshalle und verbreitete durch helles Holz und sanfte Pastelltöne eine gemütliche Atmosphäre. Eine Seite des Raumes bestand aus einer großen Glasscheibe. Von dort hatte man einen fantastischen Blick auf das Meer. Ein Kellner geleitete die beiden zu einem Zweiertisch an genau dieser Panoramascheibe.
»Wunderschön!« entfuhr es Nina bei dem Ausblick. Fasziniert beobachteten die Frauen eine Weile die Spiegelung der untergehenden Sonne auf dem Wasser.
»Was müssen zwei junge Frauen anstellen, um so einen Platz zu ergattern?«, sagte jemand am Nebentisch. Nina und Beate drehten die Köpfe. Dort saß der Mann mit den grau melierten Haaren. Schon wieder!
»Wissen Sie, manche Dinge muss man mit dem Herzen angehen«, erwiderte Beate und zupfte an ihrem Shirt, damit ihr ohnehin schon üppiges Dekolleté noch besser zur Geltung kam. Der Mann konnte diese Fülle unmöglich übersehen und vertiefte sich eilig in seine Mahlzeit, ohne noch einmal aufzublicken.
»Du liebe Güte. In zwei Wochen kann ich bei Greenpeace als Wal-Attrappe anheuern«, seufzte Beate und lehnte sich zurück. Sie hatten beide noch nie zuvor ein so gigantisches Buffet gesehen, und natürlich viel zu viel gegessen. Es war aber auch herrlich gewesen. Auf einer Unzahl von Platten waren die verschiedensten Speisen aufgereiht, reichlich dekoriert mit frischem Gemüse und glänzenden Früchten. So wurde man direkt dazu verleitet, von möglichst allem zu kosten.
Nun saßen sie an der Bar in der Lounge, die sich dem Restaurant anschloss, vor zwei Mojitos. An der Theke gegenüber hatten sie Jens entdeckt, der glücklicherweise bereits Anschluss gefunden hatte. Mit gestenreichen Erzählungen unterhielt er zwei ältere Semester, schielte aber ständig zu Beate und Nina herüber. Auch andere männliche Gäste musterten die beiden, von denen aber keiner einen unterhaltsamen Abend versprach. Wie zur Bestätigung drängte sich just eine Gruppe feister Herren an die Bar. Sie trugen allesamt Klubjacken mit der Aufschrift Kegelklub `Die Bienentöter` . Einer der Gruppe, ein stiernackiger Glatzkopf, schien Gefallen an Beate zu finden und bemühte sich sichtlich um ein Gespräch. Zu seinem Unmut fand er aber keinen passenden Einstieg und begnügte sich letztendlich damit, ungeniert auf Beates Kurven zu starren.
»Ich glaube, wir sollten für heute die Segel streichen. Ich habe keine große Lust auf Keglerlatein und Altmännerwitze«, murmelte Beate an Ninas Ohr.
Nina trank ihr Glas aus und nickte, nicht ohne sich ein letztes Mal nach Marco umzusehen. Sie war enttäuscht, dass er sich den ganzen Tag über nicht hatte blicken lassen.
Rastamen auf Hochweden
Die Morgenstunden waren Nina die liebste Zeit des Tages, auch hier an Bord des Luxusliners. Zuhause drehte sie mit Vorliebe ihre Joggingrunden, wenn die Stadt noch am Erwachen war. Es war kurz vor Sieben, als sie sich mit der Melodie von Feliz Navidad auf den Lippen ins Fitnesscenter begab. Niemals hätte sie es sich leisten können in Berlin für so etwas Geld auszugeben – wie sehr hatte sich ihr Leben jetzt gewandelt!
Das Studio war weitläufig und luftig. Es besaß auf drei Seiten deckenhohe Glasfenster, vor denen die Trainingsgeräte standen – die Technik war auf dem letzten Stand. Nina füllte sich an der Bar einen Plastikbecher mit einem Elektrolyt-Drink und steuerte die Laufbänder an. Schnell war sie mit dem Trainingscomputer vertraut und startete ihr Jogging-Programm.
Während sie locker vor sich hinlief,
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