Colombian Powder
Freundinnen später vom Schiff. Auf dem Kai war nichts mehr los, und auch an der Passkontrolle im Hafengebäude mussten sie nicht warten. Hinter einem Glasverschlag saß ein einheimischer Beamter und blätterte mit gleichmütiger Miene ihre Reisepässe durch. Am Ende knallte er den Einreisestempel auf eine leere Seite und winkte sie durch.
Der große Ramon hatte Nina darauf vorbereitet, dass sie vor jedem Landgang, und möglicherweise auch bei ihrer Rückkehr, eine Passkontrolle über sich ergehen lassen mussten. Nach ihrer anfänglichen Aufregung sah Nina diesen Kontrollen nun gelassen entgegen. Die Dokumente mit den gefälschten Namen erfüllten ihren Zweck.
Ein Taxi brachte sie die wenigen Kilometer zur Einkaufsmeile von Montego Bay, dem so genannten Hip Strip. Zu beiden Seiten der Straße warteten in bunt gestrichenen Holzhäusern Souvenirläden, Restaurants und Cafés auf Gäste. Überall flatterten jamaikanische Fahnen in den Farben Gelb, Grün und Schwarz im Wind, und aus den Bars drang immer wieder die inseltypische Reggae-Musik. Beate und Nina mischten sich in den Strom der bummelnden Touristen, stöberten in ein paar Geschäften herum und bewunderten den ausgestellten Skibob der jamaikanischen Bob-Mannschaft, der hier ein eigenes Lokal gewidmet war.
»Da vorne muss das Internet-Café sein«, las Beate vom Straßenplan ab, den sie sich bereits in Berlin ausgedruckt hatte. Tatsächlich hing über einer verglasten Tür der blau blinkende Schriftzug Cyber-Café . Sie betraten das klimatisierte Lokal und atmeten erleichtert auf. Die ungewohnte tropische Hitze mitten im europäischen Winter machte ihnen mehr zu schaffen als erwartet.
Hinter dem Tresen lümmelte ein Einheimischer mit Rastalocken, der träge nickte, als Beate auf einen der Computerplätze zeigte. Gleichzeitig steckte er sich eine Zigarette an, die dem Geruch nach weit mehr enthielt als nur Tabak. Während sich Beate in das E-Mail-Programm einloggte, um ein Mail an Ramon abzusetzen, zog sich Nina eine eiskalte Coladose aus einem Getränkeautomaten und schlenderte im Lokal herum. Als ihr Blick zufällig aus dem Fenster fiel, hielt sie inne. Im emsigen Treiben auf der Straße hatte sie einen Moment lang geglaubt, ein vertrautes Gesicht zu erkennen. Sie trat näher an das Fenster und zog die Lamellen der Jalousien auseinander, konnte aber niemand entdecken.
»Okay, ich bin fertig.« Beate hatte sich aus dem Computer ausgeloggt und ging an die Bar, um die Gebühr zu bezahlen.
»Was hast du Ramon denn geschrieben?«
»Na was wohl? Dass alles in Butter ist!«
Als die beiden wieder auf die Straße traten, senkte sich die Mittagsglut wie eine schwere Decke über sie.
»Lass uns jetzt endlich an den Strand gehen«, ächzte Nina und zeigte auf einen Wegweiser mit der Aufschrift Doctors Cave Beach . Nach nur wenigen Metern gelangten sie an einen kleinen, von Palmen umsäumten Strand. Reihen von Liegestühlen unter Bastschirmen, Boote und Surfbretter warteten darauf, gemietet zu werden.
Beate tippte Nina auf die Schulter. »Sieh dir mal die lustigen Tretboote dort an!«
Vor einem Holzverschlag am Wasser lagen mehrere in bunten Metallicfarben schimmernde Tretboote vertäut. Sie unterschieden sich von den Modellen in Europa neben einer Überdachung auch durch die üppig gepolsterte Liegefläche hinter den Sitzen.
»Ich will das Blaue!«, rief Nina vergnügt und rannte los, dass der Sand nur so flog. Bei einem jungen Rastafari mieteten sie das Boot für den ganzen Nachmittag und rauschten wenig später in die weitläufige Bucht hinaus.
»Sieh mal, dort drüben liegt unser Schiff«, sagte Beate. Tatsächlich war in der Ferne der Hafen zu erkennen, und neben zwei anderen Kreuzfahrtriesen glänzte auch die Diamond Dolphin in der nachmittäglichen Sonne.
»Was macht eigentlich Jens heute?«, kam Nina in den Sinn.
»Keine Ahnung. Für morgen hat er sich jedenfalls zum Tauchen angemeldet. Und nicht nur er.« Beate grinste vielsagend.
»Du sprichst aber nicht zufällig von uns beiden? Vergiss es!« Nina hörte auf, in die Pedale zu treten und legte ihre winterblassen Beine auf die Mittelkonsole. »Du weißt, dass ich Tauchen nicht mag.«
Beate schien ihr gar nicht zuzuhören, sie war zu beschäftigt, sich aus den komplizierten Schnürungen ihres Sommerkleides zu schälen.
»Hast du gehört? Mich kriegen keine zehn Pferde unter Wasser!«
»Und was willst du stattdessen machen?«
Nina zögerte. »Ich möchte mir gern Chichen Itza ansehen«, antwortete
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