Colombian Powder
ließ sie ihren Blick durch das Studio schweifen. Es waren nur vereinzelt Passagiere anwesend. Ihr fiel ein Mann auf, der auf einer der Hantelbänke trainierte. Gerade wollte sie wieder wegsehen, als sie in ihm niemand anderen als ihren attraktiven Helfer von gestern erkannte. Fasziniert beobachtete sie, wie er mit scheinbarer Leichtigkeit beachtliche Hanteln stemmte. Er trug schwarze Shorts und ein enges weißes T-Shirt, unter dem sich die Muskeln seiner Oberarme deutlich abzeichneten.
Auf einmal drehte er den Kopf und sah Nina direkt in die Augen. Sein Blick durchzuckte sie wie ein Blitz und ließ ein Bild in ihrem Kopf entstehen – sie und er, nackt auf einem Satin-Laken. Sie musste sich beherrschen, um sich bei dieser Vorstellung nicht die Lippen zu lecken. Beate hatte völlig recht, sie lebte viel zu enthaltsam.
Plötzlich wurde ihr bewusst, dass das Laufband angehalten hatte. Aufgeregt piepend erinnerte das Gerät an das Ende des Programms, und sie stand einfach da und starrte den Mann auf der Hantelbank an. Himmel, was stimmte nicht mit ihr?
Schnell stieg Nina vom Band herunter und stieß dabei ihren Becher um, den sie daneben auf den Boden gestellt hatte. Die orange Flüssigkeit ergoss sich über die Fliesen.
»Shit!«, zischte sie und sah sich nach etwas zum Aufwischen um. Zum Glück stand auf dem Tresen der Fitnessbar eine Box mit Papiertüchern.
»Immerhin gibt es hier hübsche Putzfrauen«, sagte da schon eine unverkennbare Stimme hinter ihr.
Mit hochrotem Gesicht blicke Nina zu Marco auf. Es musste völlig lächerlich aussehen, wie sie da auf dem Boden kniete und mit fusselnden Kleenex die Schweinerei beseitigte.
»Es scheint Ihnen ja wieder richtig gut zu gehen.« Er ignorierte Ninas Verlegenheit professionell. »Alles wieder okay?«
Sie richtete sich auf. »Zum Glück, ja. Der Schiffsarzt hat mir gestern noch Augentropfen vorbeigebracht.«
»Und jetzt ist Ihnen die Lust aufs Schwimmen vorerst vergangen?« Marco nickte zum Laufband hinüber.
»Von wegen. Aber bevor ich in Zukunft in einen Pool steige, stoße ich jemand anderen hinein. Um auf Nummer sicher zu gehen.«
Sie lachten.
»Wussten Sie, dass es auf dem Schiff auch einen Jogging-Parcours gibt?«
»Jogging auf einem Schiff?« Nina runzelte die Stirn. »Das habe ich noch nie gehört.«
»Die Bahn hat sogar Tartanbelag!« Marco legte den Kopf ein wenig schief und schenkte ihr ein umwerfendes Lächeln. »Was halten Sie von einer gemeinsamen Laufrunde morgen früh?«
»Ja, warum nicht?«
Um ihre Nervosität zu überspielen, angelte Nina ihr Handtuch vom Laufband und warf es sich über die Schulter. Dabei streife sie eine Dekorations-Palme hinter sich, die gefährlich ins Wanken kam. Dieser Mann schaffte es, sie mit einem einzigen Finger-Schnipp aus der Fassung zu bringen. In Erwartung einer albernen Bemerkung biss sie die Zähne zusammen.
»Zuvor sollten wir aber die lästigen Förmlichkeiten bleiben lassen«, sagte er jedoch nur und streckte ihr seine Hand hin, die sich angenehm warm und fest anfühlte. »Marco.«
Als Nina in die Kabine zurückkehrte, näherte sich die Diamond Dolphin bereits der Insel Jamaika. Sie stellte sich zu Beate, die sich am Bullauge die Nase platt drückte. »Auch schon munter!«
»Bleib mir bloß vom Leib, du Konditionsbestie.« Beate knuffte ihr spöttisch in die Seite. »Sonst steckst du mich noch mit deinen Fitness-Viren an.«
Die Aussicht auf die Bucht von Montego war phänomenal. Vor ihnen wölbten sich sanfte grüne Hügel, mit Häusern wie Spielzeugen darin verstreut. Behäbig umschiffte der Dampfer eine dicht bebaute Landzunge und legte schließlich längs einer steinernen Pier am Hafen an.
Das Frühstücksrestaurant hatte sich geleert, als Beate und Nina es betraten. Es lag unterhalb des Pool-Decks und besaß außer dem Speisesaal noch eine große Terrasse. Anders als im Hauptrestaurant konnte man seinen Sitzplatz frei wählen, und bei dem schönen Wetter saßen die wenigen verbliebenen Frühstücksgäste draußen.
Nina konnte sich wie am Vorabend nicht sattsehen an dem riesigen Speisenangebot. Frisches, duftendes Gebäck, Früchte, die sie noch nie gesehen hatte, und allein zwanzig Sorten Tee versetzten sie in Staunen. Die beiden Frauen beluden sich vergnügt die Teller und vertieften sich alsbald in ihre Mahlzeit. Der Mann, der ihnen dabei zusah und selbst genüsslich in einen Zimttoast biss, achtete jedoch sorgfältig darauf, nicht entdeckt zu werden.
Satt und träge schlenderten die
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