Colombian Powder
half ihr Eggerth auf die Sprünge. »Sie haben doch einen, oder?«
»Ich bin PR-Assistentin«, erwiderte Nina geradeheraus. Sie konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Eggerth sie mit dieser Unterhaltung nur auf den Arm nehmen wollte.
Eggerth nickte anerkennend. »Wie heißt denn die Firma, für die Sie arbeiten?«
»Ähm … Schuster.« Jetzt galt es überzeugend zu lügen, und als Erstes fiel ihr der Name ihrer Wohnungsnachbarin in Berlin ein.
Allmählich ärgerte sich Nina über seine unverblümte Neugier. Was ging Eggerth das überhaupt an? In diesem Moment wurde das Buffet eröffnet. Nina sprang auf, erleichtert, diesem Verhör zu entkommen. »Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber denkend arbeitende Menschen wie ich brauchen regelmäßig Nahrung.«
Eggerth schnaubte amüsiert, machte jedoch keine Anstalten, ihr zu folgen.
Am späten Nachmittag kehrte die Trip to Paradise von dem Ausflug zurück. Nina ging mit den ersten Passagieren von Bord. Sie schlug sogar das Angebot der Animateure aus, in einer Bar am Hafen noch eine Runde Getränke zu spendieren. Auf ihre Fragen gab Nina vor, müde zu sein. Aber genau das Gegenteil war der Fall. In Kürze würde das Restaurant öffnen, und sie wollte um jeden Preis vermeiden, dass Marco ohne sie zu Abend aß. Auf den Moment, ihm gegenüber Platz zu nehmen, hatte sie den ganzen Nachmittag hingefiebert.
Sonne und Salzwasser schienen Ninas Haaren trotz aller Unkenrufe der Kosmetikindustrie gut zu tun, ihre Frisur saß tadellos. So konnte sie das Restaurant betreten, ohne befürchten zu müssen, dass man ihr den Einlass verwehrte. Sie hatte sich wieder aus Beates Kleiderfundus bedient und trug nun einen silberfarbenen, mit Strasssteinen besetzten Body und eine hautenge, blaue Armani-Jeans, die selbst aus einem Reiterhintern einen appetitlichen Po formte.
Suchend wanderte ihr Blick zu ihrem alten Tisch an der Panoramascheibe, in Erwartung, ein Gedeck für sich zu erspähen. Doch dort saßen bereits zwei andere Passagiere, und Nina bahnte sich wie selbstverständlich den Weg zu Marcos Tisch. Enttäuscht stellte sie fest, dass er noch nicht da war. Um die Eingangstür im Blick zu haben, nahm sie auf der Bank Platz und bestellte beim herbeigeeilten Kellner eine Flasche Rioja – quasi zur Betäubung.
Sie gustierte an einem Salatteller, verkostete Antipasti und Meeresfrüchte und spülte mit dem Wein nach. Marco geriet nicht in ihr Blickfeld. Irgendwann war sie beim Nachtisch angelangt und stocherte trübselig im karamellisierten Zucker der Creme Catalán herum. Die halb volle Weinflasche auf dem Tisch sah höhnisch und deprimierend zugleich aus, je nachdem, aus welchem Blickwinkel man es betrachtete. Woher hatte sie bloß die Gewissheit genommen, dass Marco sich genauso auf den Abend freuen würde wie sie?
Sie seufzte. Es lief alles schief. Da war die richtig große Katastrophe auch nur mehr eine Frage der Zeit. Entweder meuchelten sie die Kolumbianer – oder die Bullen schnappten sie. Vielleicht wäre es das Beste; im Knast war sie wenigstens vor Ramon und seinen Schergen sicher. Jetzt fiel ihr Beate ein – ob sie auch in Gefahr war? Oder steckte sie mit Ramon unter einer Decke und war sie selbst nur als Bauernopfer aufgebaut worden? Nina wusste nicht mehr, was sie glauben sollte. Sie wähnte sich jedenfalls so tief im Schlamassel, dass sie nicht einmal mehr abtauchen konnte.
Als sich das Lokal langsam leerte, stand auch Nina auf und begab sich auf unsicheren Beinen zu den Internet-Terminals.
Sie hatte eindeutig mehr getrunken, als ihr gut tat, doch der Alkohol in ihrem Blut hüllte sie immerhin in einen warmen, versöhnlichen Nebel. Die drückenden Sorgen verblassten und würden sich womöglich endgültig zurückziehen – bis morgen.
Mittlerweile musste Beate in Berlin angekommen sein. Sie hatte versprochen, sofort nach der Landung ein E-Mail zu schicken. Flugs loggte sich Nina in ihr Postfach ein, doch der Posteingang zeigte keine neuen Nachrichten an. Verwundert hielt sie einen Moment inne, die Finger über der Tastatur schwebend. In Gedanken überschlug sie die Zeit seit Beates Aufbruch. Auch wenn diese einen späteren Flug genommen hatte und womöglich mehrmals umsteigen hatte müssen, reichte die Zeitspanne für die Rückreise locker aus. Wahrscheinlich bestand ihr Verdacht zu Recht - auch diese Schlange bediente sich ihrer nur. Sollte sie den ganzen Krempel entsorgen und einfach über Bord werfen? Ramon würde sich das nicht bieten lassen.
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