Colombian Powder
Kordelgriffe ihrer Badetasche fester. Was auch immer Marco umtrieb, heute Abend würde er ihr Rede und Antwort stehen.
Der Lift brachte Nina auf das Oberdeck. Kaum hatte sie den Freibereich betreten, spürte sie den eisigen Blick von Sebastian, der mit ein paar Passagieren neben dem Pool Shuffleboard spielte. Schnell wandte sie sich ab und entschwand in den hinteren Teil des Sonnendecks. Sie wollte die Ereignisse der letzten Nacht nicht kommentieren. Auf einer der Liegen, die ein Paravent vom Rest der Reihe abtrennte, ließ Nina sich nieder. Es war das Beste, für den Rest des Nachmittags unsichtbar zu bleiben.
Von ihrem Platz aus konnte sie die Rückseite der Poolbar erkennen, an der gestern ihr persönliches Märchen begonnen hatte. Traum oder Wirklichkeit? Nina hätte schwören können, sich alles nur eingebildet zu haben, wären da nicht verräterische Spuren auf ihrem Körper, die überempfindlichen Brustspitzen, das dunkle Mal an ihrem Hals. Vergeblich suchte sie nach einem Gefühl der Selbstanklage, der Reue in ihrem Herzen. Noch nie in ihrem Leben hatte sich etwas so gut angefühlt wie die Liebesnacht mit Marco. Und sie brauchte mehr davon. Viel mehr.
Viel zu zäh verging die Zeit, bis die Schatten endlich länger wurden und Nina damit beginnen konnte, sich auf das Dinner vorzubereiten. Nach Ewigkeiten bediente sie sich statt aus Beates Luxusklamotten aus ihrer eigenen, gewöhnlicheren Garderobe. Sie wählte einfache Leggings und eine zart gemusterte Tunika. Marco sollte nicht das Gefühl haben, dass sie ihn weiterhin mit ihren Reizen zu beeindrucken versuchte.
Um sieben öffnete Nina die Schwingtür zum Außenbereich des kleinen E-Decks. Dort wurde das Dinner serviert. Staunend blieb sie einen Moment lang stehen. Die Sonnenliegen in der Mitte waren einem einzelnen runden Tisch mit langem Tischtuch und edlem Gedeck gewichen. Dahinter waren ein Grill und ein Barwagen platziert. Ein Koch in schneeweißer Kluft sowie ein Kellner im Frack erwarteten sie. Nina wurde wie eine Diva empfangen, bemerkte aber den suchenden Blick des Kellners nach dem zweiten Gast.
»Mein Begleiter muss jeden Augenblick hier sein.«
»Dürfen wir Ihnen inzwischen einen Aperitif anbieten?«
Der Campari Orange, den ihr der Kellner reichte, wäre Nina beinahe aus der Hand gerutscht, so fahrig waren ihre Bewegungen auf einmal. Einige schweigsame Minuten vergingen, in denen sie die Schwingtür nicht aus den Augen ließ. Er würde nicht kommen. Davon war Nina auf einmal felsenfest überzeugt, und ein bitterer Geschmack, der nicht vom Campari stammte, breitete sich in ihrem Mund aus.
Nach einer Viertelstunde räusperte sich der Kellner. »Sind Sie sicher, dass Ihre Einladung nicht vergessen wurde?«
Nina zuckte vage mit den Schultern und versuchte zu verbergen, dass sie den Tränen nahe war. Es war kaum auszuhalten, dass Marco sie schon wieder im Regen stehen ließ.
»Möchten Sie noch einen Campari?«
»Ein Whiskey wäre mir lieber«, sagte Nina mit gepresster Stimme. Ihr Körper verlangte nach Hochprozentigem, und es war allein Marcos Schuld, wenn sie auf dieser Reise zur Alkoholikerin wurde.
»Ich werde Ihnen einen Spezial-Cocktail mixen«, mischte sich der Koch ein und zwinkerte Nina aufmunternd zu. Offenbar stand ihr die Enttäuschung mitten ins Gesicht geschrieben.
Er drehte sich zum Barwagen um und begann klirrend mit den Flaschen zu hantieren.
»Tequila ... Rum … Kokosmilch … Grapefruitsaft. Wie klingt das?«
»Hervorragend! Ich nehme auch so einen.«
Der Klang dieser Stimme ließ Nina herumfahren. Marco war unbemerkt hinter sie getreten und legte nun seine Arme um ihre Taille. »Entschuldige bitte, ich bin viel zu spät«, murmelte er in ihre Locken, bevor sie sich zu ihm umdrehte.
»Du hast Glück! Gerade wollte ich mit deiner Portion die Fische füttern«, gab Nina bemüht ungezwungen zurück. Nie würde Marco erfahren, was für Gefühlsstürme er in ihr auslöste. Doch seine Augen, die ihr so nah waren, dass sie kleine goldene Punkte in den Pupillen erkannte, schienen ihr direkt in die Seele zu blicken.
»Ich habe mich so auf dich gefreut«, murmelte er rau und vergrub sein Gesicht an ihrem Hals.
Ihr Groll gegen ihn verrauchte auf der Stelle, und Nina konnte nicht anders, als ebenfalls ihre Arme um ihn zu schlingen und sich an diesen herrlichen Körper zu pressen.
»Madame, Monsieur, darf ich Sie nun zu Tisch bitten?«, holte sie der Kellner wieder auf den Boden zurück. Er geleitete sie zu den Stühlen,
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