Colorado Kid
donutmampfende Beamte, die ihn zum Laufburschen degradierten, der zwischen Augusta und Waterville Akten hin-und herfahren und bei Unfällen die Gaffer verscheuchen musste. Gelegentlich durfte er vielleicht als Belohnung einen Fußabdruck vermessen oder Fotos von Reifenspuren machen. Aber selten, schätze ich. Sehr selten. Jedenfalls waren diese beiden Prachtexemplare des Polizeiwesens – und ich hoffe bei Gott, dass sie inzwischen das Zeitliche gesegnet haben – zufällig gerade in Tinnock Village, als die Leiche von Colorado Kid am Hammock Beach gefunden wurde. Sie untersuchten den Brand eines Mietshauses mit ›unklarer Ursache‹. So drücken wir uns aus, wenn wir in der Zeitung über so was berichten. Die beiden hatten ihren Prügelknaben dabei, der allmählich seinen Idealismus verlor. Wenn der Junge zwei gute Beamte von der Staatsanwaltschaft erwischt hätte – und ich habe einige kennen gelernt, auch wenn die verfluchte Bürokratie den Strafvollzug in unserem Staat so kompliziert macht – oder wenn das Institut für Rechtsmedizin ihn in einen anderen Staat geschickt hätte, wäre er vielleicht einer von den Typen geworden, die man heute im Fernsehen in CSI – Den Tätern auf der Spur sieht –«
»Das gucke ich gern«, unterbrach ihn Dave. »Viel realistischer als Mord ist ihr Hobby. Wer hat Lust auf einen Muffin? Ich hab welche in der Vorratskammer.«
Tatsächlich hatten sie alle Hunger, und die Geschichte wurde unterbrochen, bis Dave mit den Muffins und einer Rolle Küchenkrepp zurückkam. Als jeder einen Kürbismuffin und ein Stück Papier für die Krümel in der Hand hielt, bat Vince Dave, mit dem Bericht fortzufahren. »Ich fange nämlich an zu moralisieren. Wenn ich weitermache, sitzen wir hier noch bis zum Einbruch der Dunkelheit.«
»Ich finde, du schlägst dich gut«, sagte Dave.
Vince legte seine knochige Hand auf seine magere Brust. »Ruf den Notarzt, Steffi, mein Herz hat gerade ausgesetzt!«
»Wenn es wirklich so weit ist, findest du das nicht mehr lustig, altes Haus«, sagte Dave.
»Guck dir an, wie ihm die Krümel runterfallen«, spottete Vince. »Am Anfang des Lebens sabbert man, am Ende läuft man aus, hat meine Mutter immer gesagt. Los, Dave, erzähl weiter, aber tu uns einen Gefallen und mach erst den Mund leer.«
Dave gehorchte. Dann trank er einen großen Schluck Cola, um alles hinunterzuspülen. Stephanie hoffte, dass ihr Verdauungssystem in Dave Bowies Alter noch derartige Herausforderungen bestehen würde.
»Also«, sagte er. »George machte sich nicht die Mühe, den Strand abzusperren, denn das hätte die Leute nur angezogen wie ein Kuhfladen die Fliegen. Die beiden Hohlköpfe von der Staatsanwaltschaft sperrten aber doch ab. Ich fragte den einen, wozu das gut sein solle, und er sah mich an, als sei ich völlig minderbemittelt. ›Na, das ist doch wohl ein Tatort, oder?‹, fragte er.
›Vielleicht ja, vielleicht auch nicht‹, gab ich zurück, ›aber wenn die Leiche weg ist, was sollen dann noch für Beweise übrig bleiben, die der Wind nicht längst weggeweht hat, hm? Was meinen Sie?‹ Inzwischen hatte der Ostwind nämlich heftig aufgefrischt. Aber sie ließen sich nicht beirren, und ich gebe zu, dass die Absperrung ein nettes Bild auf der Titelseite abgab, stimmt’s, Vince?«
»Ah jo, ein Foto mit Flatterleine und der Aufschrift TATORT verkauft sich immer gut«, stimmte Vince zu. Er hatte bereits die Hälfte seines Muffins vertilgt, ohne dass Stephanie auf seinem Papiertuch Krümel entdecken konnte.
Dave sagte: »Als Cathcart, der Amtsarzt, die Leiche untersuchte, war Devane noch dabei: die Hand mit den Sandspuren, die Hand ohne, dann den Mund. Aber gerade als der Leichenwagen des Beerdigungsinstituts von Tinnock eintraf (er hatte die Fähre um neun Uhr genommen), fiel den beiden Beamten wieder ein, dass Devane noch da war und womöglich was lernen könnte. Das konnten sie natürlich nicht zulassen, also schickten sie ihn Kaffee, Donuts und Gebäck holen, für sie selbst, Cathcart, dessen Assistenten und für die beiden Leute vom Beerdigungsinstitut, die gerade angekommen waren.
Devane hatte keine Ahnung, wo er was Essbares herbekommen sollte, und weil ich inzwischen auf der falschen Seite der Flatterleine stand, fuhr ich mit ihm zu Jennys Bäckerei. Es dauerte eine halbe Stunde, vielleicht etwas länger, die meiste Zeit saßen wir im Auto. Ich bekam eine ziemlich gute Vorstellung von der Lage des jungen Mannes, auch wenn er absolut diskret war; er
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