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Colorado Kid

Colorado Kid

Titel: Colorado Kid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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einen vorläufigen Bericht über die Brandopfer aus dem Mietshaus vorgelegt hatte, denn ein Erstickungstod drüben auf Moose-Lookit Island war ihnen völlig schnuppe. Cathcart wühlte derweil in den Eingeweiden des Unbekannten herum, in Anwesenheit meiner Wenigkeit. Auf den Totenschein kam Tod durch Ersticken oder wie das bei Medizinern heißt. In den Zeitungen erschien mein ›Schlaffoto‹, das unsere viktorianischen Vorfahren viel zutreffender ein Totenporträt genannt hätten. Aber niemand meldete sich bei der Staatsanwaltschaft oder der State Police in Augusta und sagte, ja, der Vermisste ist mein Vater, mein Onkel, mein Bruder.
    Das Beerdigungsinstitut von Tinnock lagerte ihn sechs Tage im Kühlhaus – das ist nicht vorgeschrieben, aber hat sich wie so vieles zu einer Tradition entwickelt. Das weiß jeder, der mit Toten zu tun hat, auch wenn keiner sagen kann, warum es so ist. Als die Frist ablief, als er immer noch keinen Namen hatte und niemand ihn haben wollte, machte Abe Carvey weiter und balsamierte ihn ein. Der Unbekannte kam in die firmeneigene Krypta des Instituts auf dem Friedhof Seaview …«
    »Das ist ja ganz schön gruselig«, sagte Stephanie. Sie hatte den Toten vor Augen, doch aus unerfindlichem Grund nicht im Sarg (obwohl man ihn bestimmt zumindest in eine billige Kiste gesteckt hatte), sondern auf einer steinernen Bahre, über ihm eine Decke. Ein nicht abgeholtes Paket im Postamt der Toten.
    »Äh jo, ein bisschen schon«, sagte Vince ungerührt.
    »Soll ich weitererzählen?«
    »Wenn du jetzt aufhörst, bringe ich dich um«, sagte sie.
    Er nickte ohne zu lächeln, aber doch zufrieden mit ihr. Sie wusste nicht, warum, aber sie spürte es deutlich.
    »Er blieb den Sommer und den halben Herbst in der Krypta. Als es November wurde, die Leiche immer noch keinen Namen hatte und niemand sie wollte, beschloss man, sie zu bestatten. Bevor der Boden zu hart wurde, verstehst du?«
    »Ja«, sagte Stephanie leise. Sie verstand es sehr gut. Vielleicht war, ohne dass Stephanie den Finger darauf hätte legen können, wieder Telepathie zwischen den beiden Alten am Werk, denn Dave erzählte die Geschichte weiter (falls man es eine Geschichte nennen konnte), ohne dass der Chefredakteur des Islander ihm ein Zeichen gegeben hätte.
    »Devane zog sein Praktikum mit O’Shanny und Morrison bis zum bitteren Ende durch«, sagte er. »Wahrscheinlich schenkte er den beiden am Ende der drei Monate oder des Vierteljahres sogar eine Krawatte; wie ich schon sagte, Stephanie, der junge Mann gab einfach nicht auf. Aber sobald er fertig war, reichte er seine Unterlagen bei der Uni ein – ich meine, er hätte von Georgetown gesprochen, aber nagel mich nicht drauf fest – und legte sich ins Zeug, absolvierte die Kurse, die er fürs Jurastudium brauchte. Abgesehen von zwei Dingen könnten wir Mr Paul Devane jetzt aus der Geschichte entlassen, die, wie Vince sagt, gar keine Geschichte ist, Höchstens dieser kleine Teil. Erstens lugte Devane irgendwann in die Tasche mit den Beweismitteln und begutachtete die Habseligkeiten des Toten. Zweitens wurde es ihm mit einem Mädchen ernst, und er ging ihre Eltern besuchen, das wollen Mädchen ja oft, wenn’s ernst wird. Der Vater dieses Mädchens hatte zumindest eine schlechte Angewohnheit, die damals weiter verbreitet war als heute: Er rauchte Zigaretten.«
    Die Kamera in Stephanies Kopf, in dem ein fähiges Hirn arbeitete (wie beide Männer wussten), zeigte eine Packung Zigaretten, die in den Sand von Hammock Beach fiel, als der Tote vornüberkippte. Johnny Gravlin (inzwischen Bürgermeister von Moose-Look) hatte sie aufgehoben und dem Mann zurück in die Tasche gesteckt. Und dann fiel Stephanie etwas anderes ein, doch sah sie es nicht wie ein Kamerabild vor sich, sondern es durchfuhr sie wie ein Blitz. Sie zuckte zusammen, als sei sie gestochen worden. Dabei stieß sie mit dem Fuß gegen ihr Glas und kippte es um. Zischend floss Cola über die verwitterten Bretter der Veranda und tropfte auf die Felsen und das Unkraut darunter. Die beiden Alten bemerkten es nicht. Sie wussten, wenn jemand einen Geistesblitz hatte. Voller Interesse und Freude beobachteten sie ihre Praktikantin.
    »Die Steuermarke!«, kreischte sie fast. »Auf jeder Zigarettenpackung ist die Steuermarke des Staates, wo sie gekauft wurde!«
    Die beiden applaudierten, leise, aber aufrichtig.
     

10

    Dave sagte: »jetzt erzähle ich dir, was der junge Mr Devane sah, als er verbotenerweise in die Tasche mit den

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