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Colorado Saga

Titel: Colorado Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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den Körper überging, in das Männchen verbeißen konnte. Mit einem einzigen, gräßlichen Schnappen der Kiefer biß der Allosaurus durch Hals, Wirbel und Sehnen und zwang sein Opfer in die Knie. Der lange Schwanz schlug, fand aber kein Ziel. Der Körper wand sich in verzweifeltem Ringen, um sich von den dolchartigen Zähnen zu befreien, aber es gelang ihm nicht.
    Mit hartem, unnachgiebigem Druck preßte der Allosaurus das riesige Reptil zu Boden und begann, ohne den Gegner loszulassen, an dessen Fleisch zu ziehen und zu zerren, bis sich die mächtigen Zähne trafen und er einen riesigen Brocken Fleisch losreißen konnte. Jetzt erst löste sich der Allosaurus von seinem Gegner. Das Kinn hoch in die Luft gereckt, rückte er den Fleischbrocken in seinem Maul zurecht und klinkte seine Kiefer aus, damit der Bissen in den Vormagen gleiten, von dort aus in den Magen gelangen und später dann verdaut werden konnte. Zweimal noch riß er Fleischstücke aus dem Kadaver, dann blieb er lange neben dem gefallenen Gegner stehen, als müsse er überlegen, was er nun tun solle. Als Krokodile herbeikamen, um sich ihren Anteil zu holen, wurden sie von dem Allosaurus verscheucht. Auch Aasreptile flogen herbei, offensichtlich angelockt vom Blutgeruch, aber auch sie ließ er nicht an die Beute heran.
    So, wie der Allosaurus dastand, Lagune und Dschungel    gleichermaßen    beherrschend,
    repräsentierte er eine erstaunliche, nicht weniger klug ersonnene Entwicklung wie die des Diplodocus. Seine Kiefer waren riesig, am hinteren Ende mit fünfzehn Zentimeter dicken Muskeln befestigt und so stark, daß sie, wenn sich die Muskeln in entgegengesetzter Richtung zusammenzogen, eine Kraft entwickelten, mit der sie Bäume durchbeißen konnten.
    Auch seine Zähne waren einmalig. Im Kieferknochen des Allosaurus lagen unter den Zahnfächern für jeden Zahn sieben Ersatzzähne eingebettet. Verlor der Allosaurus beim Durchbeißen der Halsknochen des Gegners einen Zahn, wuchs bald der Ersatzzahn nach, und hinter ihm warteten dann noch sechs weitere, und wenn auch diese aufgebraucht waren, nahmen wieder andere, ganz tief im Kieferknochen, ihren Platz ein.
    Der Allosaurus schlug mit seinem kurzen Schwanz um sich und gab ein brummendes Geräusch von sich. Nun hatte er sich soviel Nahrung beschafft und konnte sie nicht auf einmal bewältigen. Andere Raubechsen tauchten auf, darunter die beiden kleineren Dinosaurier, die schon zuvor am Strand gewesen waren. Alle hielten sich in sicherer Entfernung von dem Allosaurus.
    Er riß noch einen dicken Brocken aus dem Kadaver, konnte ihn aber nicht mehr schlucken. Er spie ihn aus, funkelte seine Zuschauer wütend an und versuchte es dann noch einmal. Das Fleisch blieb mehrere Minuten in seinem weit offenen Maul, dann glitt es den gereckten Hals hinab. Mit einem feindseligen Laut aus den Tiefen seiner Kehle schlug der Allosaurus halbherzig nach seinen Zuschauern, dann trabte er hochmütig landeinwärts davon.
    Kaum war er fort, kamen die Aasfresser herbei: Reptilien vom Himmel, Krokodile aus der Lagune, zwei Dinosaurierarten vom Land und die unscheinbaren Säugetiere aus den Wurzeln des Ginkgobaums. Als es Abend wurde, war der tote Diplodocus mit seinen dreiunddreißig Tonnen restlos verschwunden, und nur sein riesiges Skelett lag noch am Strand.
    Das verwundete Diplodocus-Weibchen hatte mit den vier Jungen das Massaker beobachtet und schwamm nun in die Lagune zurück. Brennende Schmerzen strahlten von der Stelle aus, die ihr der Allosaurus aufgerissen hatte. Neun Tage lang lag sie im Halbschlaf in der Lagune, stapfte, halb aufgetaucht, von einer warmen Stelle zur anderen, aber die Schmerzen wollten nicht nachlassen. Unbestimmt sehnte sie sich danach, regungslos in der warmen Sonne dahinzutreiben, wußte aber genau, daß die Sonne sie vernichten würde. Sie war ein Reptil, das seine Körperhitze nicht ausgleichen konnte; bei einem längeren Aufenthalt in der Sonne würde sie in ihren eigenen Körpersäften zu Tode kochen.
    Am zehnten Tag schließlich betrat sie zum letztenmal den Fluß. Sie schwamm zu den Kalkklippen. Langsam, mit majestätischer Grazie schwankend, bahnte sie sich einen Weg in den Sumpf, der am Fuß jener Klippen lag.
    Dort zögerte sie und überschaute mit einer Drehung ihres langen Halses zum letztenmal ihr Königreich. Zehn Meter über den Erdboden reckte sie den winzigen Kopf empor. Anschließend senkte sie ihn langsam; langsam sank der graziöse Bogen zur Seite. Der Schwanz schleifte im

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