Colorado Saga
im Sattel zu bleiben, noch am nächsten gekommen war. »Steigt kerzengerade in die Luft, rollt sich auf den Rücken und schlägt mit allen vier Beinen gleichzeitig aus!«
Das bemerkenswerteste aber an den Ranches war die ausgesuchte Pflege, die den Weideflächen zuteil wurde. »Das einzige, was wir auf dieser Welt zu verkaufen haben«, erklärte Jim Lloyd immer wieder seinen Leuten, »ist das Gras. Das Hereford-Rind mag schön anzusehen sein, aber es ist nicht mehr als eine Maschine, die Gras in Fleisch verwandelt. Kümmert ihr euch um das Gras, ich kümmere mich um die Herefords.«
Der Rancher war von Natur aus konservativ. Es sollte alles so bleiben, wie es war. Er wollte seine achtzigtausend Morgen haben, und die Regierung sollte ihn möglichst wenig stören. Er wollte ja auch nicht viel von Washington. Die Regierung sollte bloß freien Zugang zu staatlichem Grundbesitz gewähren, australisches oder argentinisches Fleisch mit hohen Zöllen belegen, die Einrichtung öffentlicher und unentgeltlicher Schulen fördern, einen verläßlichen Postdienst mit Zustellung an der Haustür einrichten und nicht zuletzt für einen mit den nötigen Vollmachten ausgestatteten Sheriff sorgen, der jeden ins Loch zu stecken hatte, der sich erkühnen mochte, sein, des Ranchers, Land zu betreten. »Die Regierung soll mich gefälligst in Frieden lassen«, erklärte der Rancher, und damit war es ihm blutiger Ernst. Als Gegenleistung war er bereit, das Gras zu pflegen, einen Teil davon den Tieren des Waldes zu überlassen und die größten natürlichen Reichtümer der Nation zu schützen - das ausgedehnte, unkultivierte Jagd- und Weidegebiet.
Der Partner des Ranchers - der es recht ungnädig aufgenommen haben würde, hätte jemand die Meinung geäußert, ein Russe oder ein Japaner könnte sein Partner sein - war der auf seinen Rieselfeldern arbeitende Bauer, der das Uferland bewirtschaftete und es geschickt bewässerte. Auf diese Weise verwandelte er Wüsten in Gärten und erhöhte in einem Sommer den Wert des Landes um das Fünfzigfache. Diese Leute bestellten nur kleine Stücke Land, mit denen ein Rancher nichts hätte anfangen können. Mit ihren Zuckerrüben verhalfen sie der Gemeinde zu sicheren Eingängen, die es ihr ermöglichten, Dienstleistungen aufrechtzuerhalten, wie nur Städte oder größere Ortschaften sie bieten konnten.
Es war eine fruchtbare Symbiose: Der Viehzüchter konnte sich mit regenarmem Land begnügen, während sich der Farmer auf das Uferland konzentrierte, das er bewässern konnte. Keiner kam dem anderen ins Gehege, und keiner versuchte, dem anderen seine Arbeiter auszuspannen. Ein Cowboy, der etwas auf sich hielt, dachte nicht im Traum daran, Zuckerrüben zu verhacken, während der durchschnittliche Rübenarbeiter davonlief, wenn er einen Ochsen sah. Der Farmer war nicht weniger konservativ als der Rancher, und beide lehnten jegliche Einmischung seitens der Regierung ab. Was sich der Rübenbauer vornehmlich von Washington erwartete, war die Aufrechterhaltung äußerst hoher Zollsätze gegen Rohrzucker, insbesondere kubanischen Rohrzucker. Hätte es in jenen Jahren einen freien Zuckermarkt gegeben, die Zuckerrohrpflanzer im karibischen Raum wären in der Lage gewesen, den Bedarf ganz Nordamerikas zu decken - und zu so niedrigen Preisen, wie das Central Beet nie möglich gewesen wäre. Wirtschaftlich gesehen, war die
Zuckerrübenindustrie ein Unding, gleichzeitig aber auch ein so bedeutender Faktor, daß ihr Schutz gerechtfertigt war. Wer Senator von Colorado sein wollte, mußte imstande sein, dafür zu sorgen, daß der hohe Zoll erhalten blieb. Rechtschaffenheit, harte Arbeit und staatsmännische Umsicht waren zwar für jene, die dieses Amt anstrebten, wünschenswerte Attribute, Vertrautheit mit den Zuckerrüben war aber unerläßlich.
Der Farmer erwartete aber auch noch einige andere Dienste: Verläßliche Versorgung mit Arbeitskräften aus Mexiko, Schutz vor Gewerkschaften, äußerst niedrige Zollsätze für billige Nitrate aus Chile, gute Straßen von der Farm zur Fabrik, niedrige Eisenbahntarife und Verfügbarkeit von Barmitteln. Nichtsdestotrotz hielt sich der Landwirt für unabhängig, glaubte daran, daß er allein die Risiken der Landwirtschaft zu tragen habe, und schließlich hängt ja das Wesen einer Gesellschaft mehr davon ab, was die Menschen von sich halten, als davon, was sie wirklich sind.
Die wenigen Städte, die auf der Prärie entstanden, waren den Bedürfnissen der Rancher und Farmer
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