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Colorado Saga

Titel: Colorado Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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erarbeitet hatten. Im nächsten Jahr würde er eine andere Familie anstellen. Was Tranquilino und seine Frau angeht, stand es ihnen natürlich frei, von Ciudad Juarez aus, wohin man sie abgeschoben hatte, ein paar Meilen stromaufwärts zu wandern, den Rio Grande zu durchwaten und gleich wieder nach Centennial zurückzukehren, wo sie sich an irgendeinen anderen Rübenbauern verdingen konnten.
    Dieses Verfahren konnte praktiziert werden, weil sich weder irgendwelche Bundesgesetze noch solche des Staates Colorado mit diesem Problem befaßten. Es war den Farmern in Colorado gestattet, »Wetbacks«, wie man die mexikanischen Einwanderer nannte, zu beschäftigen, ohne behördliche Maßnahmen befürchten zu müssen. Der Wetback selbst aber war ein Illegaler und konnte sowohl bestraft als auch deportiert werden. Kam die Sache vor die Legislative, wurde sie schnell und mit der Begründung »Wir brauchen sie« vom Tisch gefegt. Sie wurden gebraucht, aber sie waren nicht erwünscht, und so ging man augenzwinkernd über Streiche wie den, den man Tranquilino Marquez gespielt hatte, hinweg.
    Als Triunfador in seiner Zelle erfuhr, wie man seine Eltern geprellt hatte, geriet er in höchste Wut. »Man hat sie bestohlen! Und mit Unterstützung der Regierung!« Er beschwor Grabhorn Rache, aber gerade hier hakte Vater Vigil mit seiner ganzen Überzeugungskraft ein. »Du mußt deine Leidenschaften zügeln, mein Sohn. Du mußt sie beherrschen und deinem Lebenszweck unterordnen. Zu rasen, zu fluchen oder Drohungen auszustoßen, das hat keinen Zweck. Das ganze Gerichtswesen ist gegen uns angelegt, und wir können dagegen nicht ankämpfen. Was wir tun können... «
    »Ja, was zum Teufel können wir tun?« »Wir können uns der Güte Gottes unterwerfen.«
    »Ich glaube nicht an Gott.«
    »Aber du mußt an das Erbarmen unseres Herrn Jesus Christus glauben«, gab Vater Vigil rasch zur Antwort. »Wenn sich ein starker Mann in die Liebe Gottes fügt, gewinnt er an Stärke.«
    »Was wollen Sie, daß ich tue?«
    »Lerne Gewalt über dich zu haben.«
    Triunfador dachte einige Tage über diese Worte nach. Er wußte sehr gut, was Vater Vigil von ihm wollte -am Tag seiner Entlassung aus dem Gefängnis sollte er, Triunfador Marquez, das bittere Unrecht, das Rudolf Grabhorn seinen Eltern zugefügt hatte, verzeihen, sollte Sheriff Bogardus, der ihn dauernd drangsalierte, vergeben, und sich der Disziplin Jesu Christi unterwerfen.
    »Ich werde es tun«, versprach er dem Priester.
    »Ich wußte es.«
    Sonnabend nachmittag wurde er aus dem Gefängnis entlassen und fastete die ganze Nacht. Am Sonntag erhob er sich schon früh und ging auf die Felder im Norden von Klein-Mexiko hinauf, wo sich eine große Menschenmenge versammelt hatte. Dort entblößte er seinen Oberkörper und ließ sich von Vater Vigil Kaktusdornen unter seine Rückensehnen schieben, während seine Schwester Soledad ihm vier in die Haut an seinen Schläfen stieß. Stöhnend vor Schmerz und aus vielen Wunden blutend, beugte er sich nieder und hob ein schweres Kreuz vom Boden auf, eine Nachbildung dessen, an das Christus geschlagen worden war. Das Kreuz auf seinem blutenden Rücken, begann er den langen Weg nach seinem Golgatha.
    Er war erst eine kurze Strecke gegangen, als eine Gruppe von Anglos mit der erschreckenden Nachricht in die Stadt stürzte: »Diese verdammten Mexikaner haben schon wieder angefangen. Irgend so ein Armleuchter schleppt ein Kreuz den Hügel hinauf.« Sheriff Bogardus und seine Männer fuhren eiligst die
    Staatsstraße Acht hinaus, wo sich die Prozession einen Hügel hinauf bewegte, der jenem sehr ähnlich war, den Jesus in Jerusalem erklommen hatte. Ihre Gummiknüppel schwingend, stießen sie in das Herz der Menge hinein, wo ein Polizist über Triunfador herfiel und ihn zu Boden schlug. Die Dornen bohrten sich tief in seine Stirn, und er blutete stark, doch er empfand keine Schmerzen.
    »Ich bin der Eine«, murmelte er. Weder wußte er, was diese Worte bedeuteten, noch was ihr spiritueller Sinn sein mochte, aber er fühlte, daß er von diesem Augenblick der Heimsuchung an ein größerer Mann sein würde als je zuvor.
    Und das wurde er. Er errang jene wunderbare Charakterfestigkeit, zu der manche Menschen gelangen, wenn sie fähig sind, das Gleichgewicht zwischen Himmel und Erde zu finden. Sein Gang wurde aufrechter, und er konnte allen in die Augen sehen, dem Sheriff, dem Richter, den weißen Geistlichen, die nun mit einiger Verspätung versuchten, das Rechte zu tun.

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