Colorado Saga
Und er konnte ihnen als Gleicher gegenübertreten. »Fragt doch Triunfador«, hörte man bald die Leute sagen, wenn sich irgendwo im Bezirk ein Problem einstellte. »Der ist nicht auf den Kopf gefallen.«
Als seine Eltern aus Mexiko zurückkehrten, hatte er schon eine Hütte für sie vorbereitet, doch bevor er ihnen erlaubte, wieder bei einem Rübenbauern zu arbeiten, holte er sich Rat. Er wartete so lange in der Tür seiner Cantina, bis er ein neues Dodge-Coupe die Straße von der Venneford-Ranch herunterkommen sah. Er lief hinaus und hielt das Auto an. »Mr. Garrett«, entschuldigte er sich beim Fahrer, »ich brauche Ihren Rat.«
»Sitzt du wieder einmal in der Tinte?« fragte der Verwalter.
»Ich nicht, Mr. Garrett«, antwortete Triunfador, »eher meine Eltern.« Er berichtete, was im vergangenen
Oktober mit Rudolf Grabhorn passiert war. »Das glaube ich gern«, sagte Garrett, »er ist ein niederträchtiger Geizkragen.« Als Triunfador wissen wollte, welchem Farmer man vertrauen könne, antwortete Garrett sofort: »Klaus Emig! Ein ehrlicher Mann.« So kam es, daß die Familie Marquez in diesem Jahr nicht nur für Emig arbeitete, sondern danach auch bezahlt wurde.
Einen Menschen gab es, der Triunfador Sorge machte
- seine Schwester Soledad. Sie war jetzt sechzehn und sehr schön, hatte schwarze Augen und lange Zöpfe. Wenn er mit anderen Dingen beschäftigt war, stand sie manchmal in der Cantina, bediente die Gäste und legte Platten auf. Die Männer fingen an, nach ihr zu grapschen, und er fragte sich, wie es mit ihr weitergehen sollte. In einer Siedlung wie Klein-Mexiko konnte sie in ernste Schwierigkeiten geraten.
Und dann kam der heiße Julitag, da der Dodge aus Venneford vor der Cantina stehenblieb. Diesmal saß nicht Beeley Garrett am Steuer, sondern ein großgewachsener, gutaussehender, jüngerer Mann, der in die Schenke trat und sich vorstellte: »Ich heiße Henry Garrett. Vater wollte wissen, ob die alten Herrschaften jetzt bei Emig arbeiten.«
Triunfador war auf den Bahnhof in Centennial gegangen, um ein Stück Frachtgut abzuholen, und das schlanke Mädchen hinter der Theke antwortete argwöhnisch: »Ja.«
»Heiß ist es heute. Ich hätte gern einen kalten Drink.«
»Wir sind keine Alkoholschmuggler«, sagte das Mädchen schnippisch.
»Ich meinte ein Coke«, entschuldigte sich Garrett. »Oder so was Ähnliches.« Während er trank, lauschte er der Musik. »Das ist eine schmissige Melodie«, sagte er. »Was ist das?«
»Ach, ein Volkslied«, antwortete sie.
Zwei Mexikanerinnen sangen einen lustigen Text, dessen Worte allerdings keinen Sinn zu ergeben schienen, denn als Garrett Soledad fragte, was das Ganze bedeutete, lauschte sie eine Weile und zuckte dann die Achseln. »Das Zeug da? Was weiß ich?«
Garrett beugte sich vor, um besser zu hören, denn er verstand ein wenig Spanisch, und als er wieder den Blick hob, sah er, daß Soledad ihn anlächelte. »Auf englisch heißt das so: >Heutzutage geben sich die Mädchen nicht mehr mit Pfannkuchen zufrieden. Kaum haben sie sich einen Mann geangelt, essen sie nur mehr Weißbrot und Butter.<« Sie lachte über das Lied, und in diesem Augenblick erkannte Henry Garrett, welch leeres und ödes Leben er führte und wie lange es schon her war, daß er das letzte Mal jemanden lachen gehört hatte. Er blieb noch eine Weile, um sich ein paar Platten anzuhören - der erste weiße Amerikaner, der die Cantina als Kunde betreten hatte.
Die Venneford-Ranch blieb in diesen Jahren auch weiterhin eine der am umsichtigsten geführten Viehwirtschaften im Westen. Jim Lloyd, der, was die Aufzucht von Hereford-Rindern betraf, keinem an Wissen nachstand, führte die Oberaufsicht, überließ jedoch die Einzelheiten Beeley Garrett, der eine gründliche Ausbildung genossen hatte und dessen Sohn Henry sich große Mühe gab, sein Handwerk zu erlernen. Die Ranch warf nicht so fette Dividenden ab, wie dies die Aktionäre in Bristol gewünscht hätten, doch Garrett versicherte ihnen in seinen Jahresberichten: »Das Land steigt weiterhin im Wert, und solange Sie an Ihrem Besitz festhalten, werden Sie jedes Jahr reicher. Überdies wird der Rinderbestand ständig veredelt, und es besteht nach wie vor eine lebhafte Nachfrage nach unseren Stieren.«
Charlotte Lloyd setzte ihre Kraft vornehmlich für die Neuausstattung ihres Spielzeugs, des Schlosses, ein. Ihre Gesellschaften, zu denen sie Gäste aus Denver und Cheyenne einlud, waren ebenso vornehm wie die des alten Cheyenne-Klubs.
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