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Colorado Saga

Titel: Colorado Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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von seinem Vater Grauer Wolf beiseite genommen - genaugenommen war Grauer Wolf der älteste Bruder seines richtigen Vaters - und behutsam auf eine schmerzliche Nachricht vorbereitet: »Du muß immer daran denken, daß unser Volk von Feinden umgeben ist. Im Norden die Dakota, furchterregende Krieger. Im Westen die scheußlichen Ute, diese schwarzen Teufel, die immer wieder versuchen, unsere Frauen und Kinder zu rauben, damit ihre Haut ebenso hell wird wie die unsere. Einem Ute darfst du nie trauen ganz gleich, was für Geschenke er dir bringt oder wie schöne Worte er gebraucht. Im Süden die Comanchen, sie haben Pferde. Und im Osten -« Er drehte das Gesicht des Jungen in die Richtung der
    Rattlesnake Buttes und der dahinter liegenden Prärie. »Da draußen, stets auf der Lauer, immer voll List und Tücke, der Stamm, der beinahe unbesiegbar ist.« Er spuckte aus. So ungeheuerlich war sein Zorn, daß er sich auf die Lippe biß und einen Augenblick lang nicht sprechen konnte. Dann schüttelte er drohend den federgeschmückten Speer gen Osten und zischte: »Die Pawnee.«
    Er setzte den Jungen auf einen Stein. »Jeden Morgen, wenn du aufstehst«, sagte er, »jeden Abend, wenn du schlafen gehst, und vor allem, wenn du auf einem Hügel Wache hältst, blicke in alle vier Himmelsrichtungen und frage dich >Wo hat sich unser Feind versteckt?<«
    Nach einer Pause fuhr er fort: »Nie darfst du dich vor deinen Feinden fürchten oder vor einer Begegnung mit ihnen im Kampf. Für einen Krieger ist es die tapferste Tat, im Kampf einen Gegner zu berühren. Es wäre eine Schande, als Feigling zu sterben, der niemals seine Hand einem Feind aufgelegt, der niemals Heldentaten vollbracht hat.«
    Der Lahme Biber lauschte aufmerksam. Er wußte ebensoviel über das Berühren des Gegners wie sein Vater. Die Jungen redeten ständig davon und brüsteten sich damit, wie sie auf jeden auftauchenden Ute losrennen, ihn mit der Hand oder dem Speer berühren und so eine Tat setzen würden. Sogar mit einem Comanchen zu Pferde glaubten sie es aufnehmen zu können, denn ein Mann, dem es nicht gelang, seinen Gegner zu berühren, der konnte bei den Arapaho keinen Respekt erwarten. Der Lahme Biber hatte seinen Spielgefährten gegenüber geprahlt: »Ich würde sogar zu einem Pawnee rennen, um ihn zu berühren.« Aber keiner hatte ihm das geglaubt, denn der Pawnee hatte vermutlich ein Pferd und vielleicht sogar einen schwarzen Stock, der schwarzen Rauch spie und aus großer Ferne tötete.
    Sein Vater Grauer Wolf wurde ernst. »Nur die Steine leben ewig. Der Krieger wird für seine Zeitspanne geboren und kämpft, wie es ihm Mann-Oben erlaubt. Er verehrt das Flachrohr und setzt möglichst viele Taten. Und wenn er Glück hat, fällt er im Kampf, die Hand am Körper seines Feindes. Dann hat er die größte Tat vollbracht den Tod im Sieg.«
    Er sprach so gemessen, daß der Lahme Biber aufhörte, an das Berühren des Gegners in kommenden Kämpfen zu denken, und ihn anblickte. Das Gesicht des Grauen Wolfs war von tiefen Falten durchzogen, und in den Falten lag grauer Staub. Seine Augen blickten traurig, und in diesem Augenblick wußte der Lahme Biber, daß sein richtiger Vater, Sonne-am-Mittag, nicht mehr am Leben war. Den Blick abwendend, fragte er: »Ist er im Kampf gefallen?« Und der Graue Wolf antwortete: »Er versuchte, einen Pawnee zu berühren.«
    »Ist es ihm gelungen?« fragte der Lahme Biber.
    »Nein«, erwiderte Grauer Wolf. Es wäre sinnlos gewesen, den Jungen zu belügen, denn wenn sich die Krieger am Abend um das Lagerfeuer versammelten und den Kampf dieses Tages besprachen, würde streng und ehrlich entschieden werden, wer einen Gegner berührt hatte und wer nicht, und nicht einmal der Tod eines so tapferen Kriegers wie Sonne-am-Mittag hätte eine Lüge gerechtfertigt.
    Bei den Arapaho durften vier Krieger Berührungen bei einem einzigen Feind machen. Der erste, der ihn berührte, rief so laut, daß alle es hörten: »Ich als erster!« Der zweite dann: »Ich als zweiter!« Und so fort. Wenn jedoch der Kampf beendet war, setzten sich diese Krieger und ihre Zeugen zusammen, um Bestätigung für ihren Anspruch zu finden. So konnte zum Beispiel ein Krieger wohl behaupten: »Ich habe die erste Berührung beim Häuptling der Pawnee gemacht.« Solange jedoch niemand aufstand und sagte: »Ich habe gesehen, wie er den Pawnee berührte, er war der erste.«, wurde ihm diese Ehre nicht zuerkannt.
    Einen Feind töten? Das zählte nicht. Wenn es sein mußte, tat

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