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Colorado Saga

Titel: Colorado Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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deutlich,
    daß diese Fremden keineswegs Götter waren. Sie waren Menschen wie er selbst, und er kehrte eilig in sein Tipi zurück, um Blauem Blatt seine Entdeckung zu verkünden: »Diese beiden sind nichts Besonderes.« »Sie haben vier Gewehre.«
    »Ich könnte auch vier Gewehre haben, wenn ich sie mir bei den Pawnee eintausche.«
    »Sie haben eine andere Haut.«
    »Die Ute haben auch eine andere Haut. Einen Ute erkennt man schon vom anderen Flußufer aus.«
    Blaues Blatt brachte sämtliche Zweifel vor, die im Stamm laut geworden waren, aber ihr Ehemann widerlegte jeden einzelnen, und schließlich mußte sie einräumen: »Wenn sie genauso sind wie wir und wenn sie hier bei uns leben wollen, sollten wir mit ihnen sprechen.«
    »Das habe ich auch gedacht«, antwortete der Lahme Biber und schritt sogleich mutig dorthin, wo die beiden Fremden warteten. Obwohl viele in seinem Lager eine Katastrophe oder seinen Tod prophezeiten, ging er ganz nahe an sie heran, sah sie an und hob seine Hand zum Gruß.
    Als er dastand, begann der kleinere Mann geschickt die unendlich vielen schönen Dingen auszubreiten, die er den Fluß heraufgebracht hatte. Ein Kasten enthielt leuchtende Perlen, alle in einer Reihe und alle von verschiedener Farbe. Ein Packen enthielt Decken, aber nicht Decken aus Bisonfell, sondern aus einem weichen, schmiegsamen Material. Zuletzt öffnete der Mann einen ganz besonderen Kasten, in dem eines der schönsten Metalle schimmerte, die der Lahme Biber jemals gesehen hatte, hart wie der Lauf eines Gewehres, aber hell, blank und strahlend weiß. »Silber«, erklärte der Kleine immer wieder, »Silber.« Doch als der Lahme Biber danach griff, zog der Mann den Kasten zurück und hielt statt dessen ein Biberfell hoch. »Biber«, wiederholte er nun immer wieder, und das bedeutete, daß er den Indianern schimmernden
    Silberschmuck geben wollte, wenn sie ihm dafür Biberfelle brachten. Um seine guten Absichten zu unterstreichen, reichte er dem Lahmen Biber ein Armband.
    Zu Hause im Tipi streifte der Lahme Biber seiner Frau den hübschen Schmuck auf den Arm, und sie ließ ihn im Licht blitzen, während in ihrem Mann ein Entschluß reifte: »Ich werde das Lager der Fremden untersuchen und feststellen, was sie für eine Medizin haben.«
    Spät in der Nacht schlich er sich also lautlos zu ihrem Tipi, hielt aber kurz davor noch einmal inne, denn nun erfaßte ihn eine tiefere Angst, als er sie jemals vor einem Comanchen empfunden hatte. Er würde in eine neue, geheimnisvolle Welt eindringen, und der Mut drohte ihn zu verlassen. Aber er biß sich auf die Lippen und kroch hinein, den Körper gespannt wie eine Sehne, um an keinen Gegenstand anzustoßen. Vorsichtig richtete er sich auf, wagte kaum zu atmen, während seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten. Vom Boden her hörte er das gleichmäßige Atmen der Schläfer und wußte sofort, daß der Kleinere rechts von ihm lag.
    Ihm stand nunmehr der schwierigste Teil seiner Aufgabe bevor. Um eine Tat zu vollbringen, mußte er einen von ihnen berühren, und dafür wählte er den dunkleren Anführer. Zentimeter um Zentimeter den Oberkörper neigend, näherte er sich dem Schlafenden immer weiter, bis sein Gesicht das des Schläfers fast berührte. Jetzt hob er den Arm, um den dunklen Körper zu berühren, als er im schwachen Licht etwas Schreckliches wahrnahm. Der andere schlief nicht, er war hellwach und starrte direkt in die Augen des Lahmen Bibers.
    Die beiden Männer, jeder vom Entsetzen gepackt, ertrugen den Blick des anderen. Und dann streckte der Lahme Biber langsam den Arm aus und legte seine Hand behutsam auf das Gesicht des Fremden. Diese Hand war ohne Waffe, wollte nichts Böses. Keiner der beiden Männer atmete. Die Hand entfernte sich. So kam der rote Mann zum erstenmal in direkten Kontakt mit einem Weißen.
    Als der Lahme Biber die Hand zurückzog, löste sich die Spannung des anderen, und er gab einen leisen Laut von sich. Vom Bett gegenüber sprang der große Mann auf, griff nach einem der Gewehre und hätte den Lahmen Biber erschossen, hätte nicht vom ersten Bett eine tiefe Stimme gerufen: »Arretez! Arretez!«
    »Was ist denn?« rief der Mann mit dem Gewehr.
    »Il n'a pas d'armes«, sagte der Anführer und stieß den Gewehrlauf beiseite.
    Langsam zog sich der Lahme Biber zurück. Er war zufrieden. Die beiden Männer waren keine Götter. Sie waren Menschen, waren nicht im Besitz einer besonderen Medizin. Denn sie wurden von derselben Furcht heimgesucht wie er

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