Colours of Love - Entblößt: Roman (German Edition)
es kann von mir aus verrotten. Ich will es nicht.«
Er sagt das mit einer Leidenschaft, die mich überrascht.
»Das meinst du nicht ernst, oder?« Ich kann mir das nicht vorstellen. So schlimm zerrüttet kann das Verhältnis zwischen ihm und seinem Vater nicht sein, dass Jonathan den Familiensitz absichtlich verfallen lassen würde.
»Oh doch«, beharrt er. »Ich will mit dem Lockwood-Erbe nichts zu tun haben.«
Erschrocken sehe ich ihn an. Bisher war ich immer davon ausgegangen, dass die beiden Meinungsverschiedenheiten haben. Doch dieser Zwist geht offenbar viel, viel tiefer.
Mir fällt wieder ein, dass Jonathan nicht mal seinen Adelstitel führt, wenn es sich vermeiden lässt, und langsam dämmert mir, dass er das nicht aus Koketterie oder aus Bescheidenheit oder aus einem Unabhängigkeitsstreben heraus tut. Er will das alles wirklich nicht, scheint schon den Gedanken zu hassen, dass er eines Tages der Earl of Lockwood sein wird.
»Geht das denn? Ich meine, könntest du auch kein Earl werden?«
Jonathan seufzt tief. »Es geht theoretisch, ja. Ich habe das Recht, auf den Titel zu verzichten, und ich habe schon oft darüber nachgedacht. Aber Sarah rastet total aus, wenn ich es nur erwähne. Sie hat mir angedroht, nie wieder ein Wort mit mir zu sprechen, wenn ich wagen sollte, das zu tun, und ich traue ihr zu, dass sie das durchzieht.« Er zuckt mit den Schultern. »Allerdings werde ich nur den Titel führen, mehr nicht – auch nicht ihr zuliebe.«
Ich schlucke. Zerrüttet ist also doch definitiv das richtige Wort für Jonathans Beziehung zu seinem Vater.
Dabei kam es mir bei meiner bisher einzigen Begegnung mit dem alten Earl so vor, als würde der die deutlich unterkühlte Beziehung zu seinem Sohn bedauern. Er war zwar genauso stur und arrogant, wie Jonathan es manchmal sein kann, und er hat es ganz sicher nicht besonders geschickt angefangen – aber er schien mir den Kontakt zu Jonathan zu suchen.
»Denkst du nicht, dass es deinem Vater das Herz bricht, wenn du alles, was ihm wichtig ist, so ablehnst?«
»Ich glaube nicht, dass er ein Herz hat, das man ihm brechen kann«, sagt Jonathan grimmig. »Und jetzt lass uns nicht mehr über ihn reden, okay?«
Ich will die Stimmung zwischen uns nicht ruinieren, deshalb gehe ich nicht weiter darauf ein. Aber es ist ein Punkt, über den ich unbedingt noch mehr herausfinden muss, wenn ich eine Chance haben will, Jonathan zu verstehen.
»Bist du eigentlich oft hier?«, frage ich, nachdem ich uns Champagner nachgegossen habe.
Jonathan überlegt. »Während der Renovierungsphase war ich sehr viel hier und habe alles überwacht«, sagt er. »Aber danach nur noch ein paar Mal. Das letzte Mal muss schon zwei Jahre her sein.«
Komisch, denke ich. Wozu kauft er ein Hotel und renoviert es total aufwendig, wenn er dann fast nie hinzufährt?
»Und wie bist du ausgerechnet auf Ballybeg House gekommen?« Mir fällt eigentlich nur ein Grund ein. »Kam deine Mutter aus der Gegend hier?«
Lady Orla Lockwood war Irin, eine sehr schöne sogar, wie ich auf einem Bild im Internet gesehen habe. Von ihr hat Jonathan die schwarzen Haare und die blauen Augen geerbt, aber abgesehen davon weiß ich wenig über sie – außer, dass sie vor über zwanzig Jahren bei einem Unfall auf Lockwood Manor starb.
Jonathan schüttelt den Kopf. »Sie kam aus einem Ort in der Nähe von Dublin. Aber sie liebte die Grafschaft Kerry und vor allem diese Halbinsel hier. Als sie noch lebte, haben wir hier ein paar Mal Ferien gemacht.«
Ich rechne im Stillen nach. Er war neun, als seine Mutter verunglückte, also muss er bei diesen Aufenthalten wirklich noch klein gewesen sein. Komisch, denke ich – ihn mir als Jungen vorzustellen, fällt mir schwer. Doch er ist einer gewesen – und er musste mit einem schlimmen Verlust fertig werden.
Ich kann das nachfühlen. Mein Vater hat unsere Familie verlassen, als ich sechs war, deshalb weiß ich, wie es ist, so früh jemanden zu verlieren, den man liebt. Wie hilflos es einen macht, weil man es einfach nicht versteht, warum derjenige nicht mehr da ist. Aber für Jonathan muss es noch viel härter gewesen sein. Denn Dad lebt noch. Ich habe zwar keinen Kontakt zu ihm, aber ich könnte ihn sehen, wenn ich das will.
»Und ihr habt hier in diesem Hotel gewohnt?«
»Nein, damals war das Haus noch in Privatbesitz. Aber es gefiel Mum. Wir wohnten ganz in der Nähe, und sie hat das oft gesagt, wenn wir bei Spaziergängen hier vorbeigekommen sind. Ich glaube, sie hat
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