Colours of Love - Entblößt: Roman (German Edition)
So lange, dass ich irgendwann mit einem Seufzen die Arme um seinen Hals schlinge und vergesse, dass wir mitten auf der Straße stehen. Erst, als ich ganz außer Atem bin, gibt er mich wieder frei. Total überrascht blicke ich zu ihm auf.
Das war ein ganz klarer Du-küsst-gefälligst-nur-mich-Kuss, auch wenn er selbst ein bisschen verunsichert darüber zu sein scheint, dass er das Bedürfnis hatte, das klar zu stellen. Aber mir ist es recht. Sehr recht sogar. Von mir aus küsse ich für den Rest meines Lebens nur noch ihn.
»Los, fahren wir«, sagt er und hält mir die Autotür auf, lässt mich einsteigen. Dann geht er um den Wagen herum, setzt sich ans Steuer und startet den Motor, wendet in drei schnellen Zügen und fädelt sich wieder in den Verkehr ein.
Sein Kuss hallt noch in mir nach, und ich blicke glücklich lächelnd aus dem Fenster – bis Jonathan auf die Autobahn biegt, die uns nach Süden bringen wird, und das mulmige, nervöse Gefühl in meinen Bauch wieder zurückkehrt.
Jetzt sind wir unwiderruflich auf dem Weg nach Lockwood Manor – und ich bin wirklich gespannt, was mich dort erwartet.
11
Die Fahrt dauert ungefähr eine Stunde, und je näher wir unserem Ziel kommen, desto schweigsamer wird Jonathan. Am Anfang hat er mir noch ab und zu etwas erklärt über die Gegend, doch jetzt starrt er nur noch geradeaus auf die Straße. Um seinen Mund liegt ein neuer, harter Zug, den ich dort noch nie gesehen habe und den ich ziemlich beunruhigend finde.
Verstohlen betrachte ich ihn von der Seite. Er hat sich zwar umgezogen, bevor wir gefahren sind, doch an den Farben hat sich nichts geändert – sein Hemd ist nach wie vor schwarz. Ich weiß aber, dass er ein weißes dabei hat – um es zusammen mit dem für Männer obligatorischen Smoking zu tragen, der morgen Abend auf dem Ball Pflicht ist. Das hat er mir zumindest erzählt, als ich ihn danach gefragt habe, was er anzieht. Er besitzt also weiße Hemden, denke ich amüsiert – da hatte ich zwischendurch schon mal dran gezweifelt –, und er scheint auch bereit zu sein, für den guten Zweck über seinen Schatten zu springen und die Kleiderordnung einzuhalten.
Es ist jedoch ganz eindeutig sein einziges farbliches Zugeständnis, denn seine Laune ist genauso schwarz wie seine derzeitige Kleidung und wird von Minute zu Minute schlechter.
Ich dagegen werde immer aufgeregter und versuche schon die ganze Zeit, mir auszumalen, was mich in Lockwood Manor wohl erwartet.
Doch als Jonathan den Wagen schließlich auf dem Platz vor dem Herrenhaus parkt und mit mir durch das Tor in den mit Kopfsteinpflaster bedeckten Innenhof geht, bin ich total überrascht und völlig überwältigt. Denn mit dem kleinen, geradezu intimen Ballybeg House ist das hier wirklich nicht zu vergleichen.
Das Anwesen ist viel größer und weitläufiger, als ich gedacht hätte, umfasst nicht nur das Haupthaus, sondern auch Ställe und Anlagen, die ein breites Karree bilden. Es ist außerdem eine Wasserburg. Der Teil, auf den man zufährt, wenn man über die Allee kommt, die von dem kleinen Ort Lockwood raus zum Herrenhaus führt, ist von einem breiten, sehr stillen und sehr dunklen Wassergraben umgeben. Eine steinerne Brücke führt darüber, die man – wie wir gerade – überqueren muss, um in den Hof zu gelangen.
Das Haus selbst wirkt viel mittelalterlicher, als ich es erwartet hatte, aber es hat nichts Bedrohlich-Hochherrschaftliches, sondern eher etwas Altehrwürdiges, das einem den Atem nimmt. Die Grundmauern und die Wehranlagen sind aus Stein, genau wie der breite, viereckige Turm in der Mitte, der alles überragt und der diese Zinnen hat, die man bei so einem Gebäude erwartet. Doch andere Teile der Anlage bestehen zu einem großen Teil aus Fachwerk, mit bleiverglasten Bogenfenstern und aufgesetzten Erkern aus Holz. Überall auf den Dächern ragen gemauerte Schornsteine auf, und der gesamte Gebäudekomplex wirkt alt. Sehr alt.
»Wow«, entfährt es mir, als wir aussteigen. Für mich, die ich aus einem Land komme, in dem kaum ein Gebäude älter ist als zweihundert Jahre, ist das hier ein ziemlicher Kulturschock. Fasziniert sehe ich auf die Fensterscheiben in der schönen Fachwerkfront, die in der Abendsonne golden glänzen.
Es könnte einem fast vorkommen, als wäre man in ein Zeitloch gefallen, denke ich – wenn da nicht die vielen modern gekleideten Frauen und Männer wären, die eilig über den Hof laufen. Alle tragen Arbeitsuniformen irgendeiner Art, einige Blaumänner,
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