Colours of Love
sagt sie und deutet dann mit einem Schulterzucken auf ihr eingegipstes Bein. »Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass wir uns in einer etwas netteren Umgebung kennenlernen.«
Das klingt irgendwie so, als wüsste sie, wer ich bin, aber das kann ja eigentlich nicht sein. Oder hat Jonathan ihr von mir erzählt? Doch dann lächeln sich Sarah und Alexander an, und mir wird klar, wer die Information über meinen Eintritt in die Welt von Huntington Ventures an sie weitergegeben haben muss.
Die beiden sind zwar offensichtlich nicht zusammen, doch sie stehen sich eindeutig nah. Mir fallen Jonathans spöttische Bemerkungen ein, die er immer macht, wenn Alexander auf Sarah zu sprechen kommt. Offenbar geht er davon aus, dass seine Schwester keinerlei Interesse an seinem Kompagnon hat, aber ich glaube, da täuscht er sich.
»Wie konnte das passieren?«, fragt Jonathan, der immer noch mit der Tatsache beschäftigt zu sein scheint, dass seine Schwester verletzt auf der Intensivstation liegt. Er ist deutlich zerknirscht, so als würde er glauben, dass er es hätte verhindern müssen. »Ich hätte dich abholen sollen, so wie es von Anfang an geplant war.«
Sarah legt ihre andere Hand auf seine, umschließt sie und sieht ihn eindringlich an. »Das konnte doch niemand ahnen, Jon. Hastings hatte wirklich keine Chance. Der Wagen, der uns geschnitten hat, kam aus dem Nichts. Er hat toll reagiert, sonst wäre vermutlich viel mehr passiert. Ich hoffe, es geht ihm gut. Dad sieht gerade nach ihm.«
Jonathan schüttelt den Kopf. »Warum hast du Vater gebeten, dich abzuholen. Ich hätte meine Termine absagen können. Ich hätte …«
»Er hat es mir angeboten, und ich hatte das Gefühl, dass es ihm ganz wichtig ist«, unterbricht sie ihn. »Du weißt doch, wie schlecht es ihm um diese Zeit im Jahr immer geht.«
Jonathan, der das offenbar anders sieht, schnaubt verächtlich.
»Er vermisst Mummy immer noch, Jon. Selbst nach all den Jahren.«
»Nein, tut er nicht«, entgegnet Jonathan schroff. »Er leidet nicht, Sarah. Das tun immer nur die anderen.« Er deutet mit dem Kinn auf den Gips. »Warum liegt er nicht hier und hat Schmerzen? Er hätte es verdient.« Die letzten Worte spuckt er fast aus.
»Hör auf.« Sarahs Gesicht ist jetzt ernst und sie lächelt nicht mehr. »Das ist total ungerecht. Er konnte nichts für den Unfall, und das weißt du genau.«
Wieder schüttelt Jonathan den Kopf, aber er geht nicht weiter darauf ein, was Sarah noch mehr aufzuregen scheint.
»Warum bist du nur so stur, wenn es um ihn geht«, sagt sie vorwurfsvoll und entzieht Jonathan ihre Hand. »Ich wünschte, ihr würdet euch …«
In diesem Moment wird die Tür geöffnet und ein Mann betritt das Zimmer. Als er die vielen Besucher sieht, bleibt er abrupt stehen.
Er ist älter, so um die sechzig, und groß, hält sich trotz seines Alters unglaublich gerade. Von seiner Kleidung sind unter dem grünen Kittel, den auch er trägt, zwar nur zwei braune Hosenbeine und die Schuhe zu sehen, doch die Hose ist eindeutig aus feinem Stoff und das Leder der Schuhe poliert. Auch ansonsten wirkt er sehr gepflegt. Sein graumeliertes Haar, das früher einmal hell gewesen sein muss, ist streng zurückgekämmt, und er ist glatt rasiert. Einzig sein Gesicht scheint nicht zum Rest seiner Erscheinung zu passen. Es ist von erstaunlich vielen Falten durchzogen, was ihn verlebt aussehen lässt, und um seine Lippen, die mich entfernt an Jonathans erinnern, liegt ein verhärmter Zug.
»Dad!«, sagt Sarah, aber mir war auch vorher schon klar, dass soeben Arthur Robert Charles Hugo Earl of Lockwood das Zimmer betreten hat. Ich kenne sein Bild aus dem Internet, auch wenn er in echt – genau wie sein Sohn – beeindruckender ist.
Er nickt Jonathan und Alexander zu, dann bleibt sein Blick für einen langen Augenblick an mir hängen, und seine grauen Augen mustern mich scharf, was mir sehr unangenehm ist. Durch seine Anwesenheit verändert sich die Stimmung im Zimmer schlagartig, wird kühler, angespannter.
»Wie geht es Hastings?«, will Sarah wissen, die das auch spüren muss, aber offenbar beschlossen hat, es zu ignorieren.
»Gut soweit«, erklärt der Earl knapp. Seine Stimme hat einen angenehmen Klang, doch der Ausdruck in seinen Augen bleibt unruhig, als er den Blick jetzt auf mich konzentriert. »Darf ich fragen, wer Sie sind?«
Er sagt das so streng, dass ich automatisch schlucke und mich etwas gerader hinstelle.
»Ich bin Grace Lawson«, erkläre ich ihm und kann
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