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Coltan

Coltan

Titel: Coltan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Andress
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genau hin!“
    Zuerst war es nur ein Umriss, der sich über das
Foto legte, einer Figur ähnlich, der immer schärfer und konturierter wurde,
während die Hütten und Autos verblassten, bis endlich ein im Staub liegender
Mensch deutlich erkennbar war. Bekleidet mit einer kurzen Hose und einem Hemd.
An seiner Schulter prangte ein dunkler Fleck.
    „Kambale Ngobobo. Niemand, den man kennen muss.
Vor einigen Tagen allerdings war er, wenn auch nicht namentlich genannt, Teil einer
erschreckenden Nachricht. Kambale Ngobobo ist der einzige Überlebende seines
Dorfes, schwer verletzt zwar, aber er hat überlebt. Hier schließt sich der
Kreis.“
    Die schweren Vorhänge glitten langsam zurück, auf
der Leinwand waren nur noch Schemen zu erkennen.
    „So wie Tantalus stehen auch wir im Verdacht,
all dem abgeschworen zu haben, was uns einst über die bloße Natur erhob. Einer,
der seine Schöpfung opferte, um des eigenen Vorteils willen. Einer mit dem unstillbaren
Drang, den Göttern gleich zu sein, sich gar über sie zu erheben.“
    Der obligatorische Griff nach dem Wasserglas.
Starnhagens Blick glitt über die ersten Zuschauerreihen und schien einen Punkt
jenseits des Saales zu fixieren, bevor er wieder anhob.
    Eins musste der Neid ihm lassen: Er war ein
unterhaltsamer Redner. Seine Gesten waren angemessen, die Pausen stimmig, die
Kärtchen, die er dann und wann zur Hand nahm, um sie neu zu dekorieren, erweckten
den Eindruck, dass auch er auf Hilfe, Orientierung angewiesen war, wenn es
darum ging, den Faden nicht zu verlieren. Nein, er wusste: Wer gewinnen will,
darf sich dem Auditorium nicht als Überflieger präsentieren, auch wenn viele
ahnten, dass Kärtchen und Brille nur Dekoration waren.
    „Ngobobo war ein einfacher Bauer, der nebenbei
Coltan abbaute. Mit einer Schippe und alten Säcken sorgte er für den Nachschub,
den wir so dringend benötigen. Mitten in einer Region, in der für ein paar
Dollar, für ein paar Sack des schwarzen Sandes buchstäblich über Leichen gegangen
wird.“
    Die Brille auf der Nase stützte sich der
Staatssekretär mit beiden Händen aufs Pult, das Auditorium nun fest im Blick.
    „Dieser kongolesische Bauer zahlte mit seinem
Leben für unsere Sucht nach Mobiltelefonen, High-Tech Autos oder CD-Playern.“
    Die Ouvertüre war beendet, beeindruckend
beendet. Starnhagen als mitleidender Friedensengel.
    Jetzt wechselte er ohne Eile in die Pose des
Staatsmannes, des politischen Unternehmers, löste den mittleren Knopf seines
Sakkos und ließ die linke Hand in die Hosentasche gleiten, während er mit der
rechten die Brille abnahm und sie wieder in einen Taktstock verwandelte.
    „Wir alle kennen die Situation im Kongo. Wir wissen,
dass wir jahrelang den Bürgerkrieg, nein, seien wir endlich ehrlich, den Massenmord
dort finanziert haben. Weil wir nicht fragten, wo die Quelle des Tantals liegt,
das wir importieren. So haben auch wir unsere Jüngsten geopfert, um der eigenen
Begierden willen.“
    Beifall.
    „Doch damit ist es nun vorbei. Ein lückenloses
Monitoring verhindert zukünftig jeden unkontrollierten Zufluss auf unsere
Märkte und verhindert so auch den Raubbau und die Finanzierung dubioser
Warlords.“
    Durch die Oberlichter des mit roten Samttapeten
ausgeschlagenen neobarocken Saales drangen letzte Sonnenstrahlen, in denen der
Staub tanzte. Hanschke saß direkt neben der Tür.
    Der Kreis war auserlesen, er zählte 87 Herren
in klassischem Zwirn. Ein paar streng wirkende Damen mittleren Alters, die er
der Kommunikationsbranche zuordnete, sowie die bei derartigen Zusammenkünften
beständig anwesenden Vertreter der zuständigen Bundestagsausschüsse. Prominent
in der ersten Reihe platziert, eine Gruppe von fünf Umweltschützern, die seit
Jahren für das Überleben der letzten Berggorillas im Kongo kämpften.
    Die Veranstaltung war offen für jeden, der
davon wusste. Man hatte ja nichts zu verbergen und heute schon gar nicht.
Politiker, Unternehmer und Umweltschützer wollten, sollten sich näher kommen,
und Starnhagen war die Schirmherrschaft angetragen worden.
    „Die Intermining ist vielen von Ihnen
ein Begriff. Sie verfügt über Schürfrechte in Südafrika und Brasilien und betreibt
Zinnhütten in Russland. Die Intermining, das ist nicht irgendein Unternehmen,
das ist unser strategischer Zugang zu Coltan.“ Wieder hielt Starnhagen inne und
ließ den Blick über die Zuschauer schweifen. Einige nickten zustimmend.
    Hanschke sah sich um, wo war der Chef dieser
Intermining? Warum führte

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