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Coltan

Coltan

Titel: Coltan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Andress
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180-Grad-Hackendrehung
Richtung Tür hielt er erschrocken inne, Hanschke stand plötzlich zwei Schritt
vor ihm.
    „Was?“
    Doch der Staatsanwalt schien ihn weder zu hören
noch zu sehen. Alles was er tat, war mit seinem Zeigefinger aufs Telefon zu
zeigen: „Holen Sie Gallert, und zwar sofort. Oder wollen Sie die Ermittlungen behindern?“
    Martens holte tief Luft: „Gallert hat …“
    „… die Tote Lily Gormann persönlich gekannt.“,
vollendete Hanschke den Satz und schob ein trockenes „Und?“ hinterher. Martens sammelte
sich, doch da drückte Hanschke ihm schon den Telefonhörer in die Hand und wählte
die Nummer der Fahrbereitschaft.
    Dieser Zwerg, dachte Martens, während er ihm
von oben herab ins Gesicht sah. Was für eine Pose. Doch der Staatsanwalt wich
seinem Blick nicht aus. Alles an ihm sagte: Mach schon, sonst vergesse ich
mich. Wie das aussehen könnte, war zwar schwer vorstellbar, dennoch sackten der
Abteilungsleiter Tötungsdelikte am Menschen in sich zusammen und bestellte, was
ihm aufgetragen war.
    Plötzlich wich alle Anspannung aus Hanschke und
er wieder der unscheinbare, verhuschte kleine Mann. Er drehte sich Richtung
Tür, hielt noch einmal inne, sah Martens an, schlug kurz die Augen nieder und
sagte mit gesenktem Kopf: „Sie haben was gut bei mir. Danke.“ Und schon hatte
er das Zimmer verlassen.
    Hanschke hatte nur ein Ziel: den Fall, der ihn
seit Jahren verfolgte, endlich zum Abschluss zu bringen. Jahrelang hatte er
alles zusammengetragen, was mit Starnhagen und Tarnowski in Verbindung stand. Und
nicht selten galt ihm dabei die Grenze der Legalität weniger als Hindernis denn
als löchriger Zaun, der sich leicht überwinden ließ. Jetzt endlich waren die
anderen aus der Deckung gekommen.
    Es ging um Stunden! Er hatte keine Ahnung, wie
sie reagieren würden, und dieser Mensch verschwendete seine Zeit.
    Seine Wut wurde nur durch die stille Hoffnung
gedämpft, eines nicht mehr fernen Tages beweisen zu können, dass es sich bei Tarnowski
um alles, nur nicht um einen kleinen, unbedeutenden Schmuggler handelte. Diesmal
würde er ihn zur Strecke bringen. Diesmal hielte ihn kein noch so bestimmter
Brief zurück und auch keine Versetzungsbeförderung. Diesmal würde er die
Glastür notfalls aufsprengen lassen, noch bevor jemand auf die Idee kam, aus
höheren Gründen alle weiteren Ermittlungen einzustellen und die Akten zur
sicheren Verwahrung abholen zu lassen. Diesmal nicht.

63
    „Tan - ta - lus“, Starnhagen formte Silbe für Silbe,
um die Bedeutung des Wortes noch zu verstärken. „Tantalus“ wiederholte er, drückte
den Rücken durch und richtete sich auf. Dann griff er nachdenklich nach dem vor
ihm auf dem Pult liegenden Etui, langsam, bedächtig, schweigend seine Zuhörer
fixierend, klappte das Etui auf und entnahm seine schmale, schwarz eingefasste
Brille. Starnhagen kniff die Augen zusammen, doch statt die Brille aufzusetzen,
richtete er sie einem Taktstock gleich auf das Auditorium.
    „Ein König, dem es an Mäßigung fehlte, an
Einsicht in die eigene Endlichkeit. Einer, der die Götter herausforderte. Tantalus,
das Reich der Menschen wollte er überwinden, ohne zu begreifen, dass, was ihn
trieb, die Kraft der Hölle war.“
    Starnhagen verharrte, Stille im Saal, hier und
da ein erwartungsvolles Räuspern. Er hob die Hand und schwere, rote
Samtvorhänge glitten geräuschlos vor die hohen Fenster. Zugleich schwebte
hinter seinem Rücken eine Leinwand herab. Ein kurzes Nicken in den rückwärtigen
Teil des Saals und auf der Leinwand erschien das Bild einer Siedlung. Einfache
Wellblechhütten.
    „Ein Dorf, eigentlich nur ein paar Hütten. Gut
zehn Kilometer Luftlinie bis Goma. Goma kennen Sie bestimmt, eine Stadt im
Kongo.“
    Das Bild verschwand wieder und an seine Stelle
trat ein Satellitenfoto.
    „Dasselbe Dorf vor wenigen Tagen.“
    Er war der Zeremonienmeister. Wenn er
deklamierte, verstummte jedes Hüsteln und Scharren, trotz aller Theatralik.
    „Jetzt achten sie auf die weißen Flecken
zwischen den Hütten.“
    Bildwechsel.
    „Ein Amt, das ich hier nicht näher nennen
möchte, hat mir diese Aufnahmen dankenswerterweise zur Verfügung gestellt.“ Per
Knopfdruck vergrößerten sich die Flecken und wurden immer deutlicher: „Wie sie
jetzt sehen können, handelt es sich bei den weißen Flecken um Pickups der Marke
Toyota.“
    Er verstummte wieder, ordnete einige Kärtchen auf
dem Pult und fuhr leise fort.
    „Nichts Ungewöhnliches, werden Sie denken. Aber
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