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Coltan

Coltan

Titel: Coltan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Andress
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Starnhagen hier das Wort?
    Und als hätte er es geahnt, fuhr Starnhagen
fort: „Doch es geht heute und hier nicht um Dividenden und Märkte, sondern um
die Frage, wie wir zukünftig verhindern, dass so etwas“, hinter Starnhagen
erschien wieder das Bild des toten Kongolesen, „geschieht. Wie wir das Gemetzel
verhindern.“
    Hanschke notierte in Gedanken: Das Protokoll
vermerkt zustimmendes Gemurmel und kurzen Beifall.
    „Die Bundesregierung hat heute eine
Kooperationsvereinbarung mit dem kongolesischen Humanitarian Life Trust
unterzeichnet, der zukünftig alle deutschen Importe der Intermining aus dem
Kongo zertifizieren wird.“ Seine Stimme erhob sich: „Und es ist mir eine
besondere Freude, Ihnen heute und hier den Präsidenten“, in der ersten Reihe erhob
sich ein Mann, „Mr. Steven Mbango vorzustellen, der mit seinem Namen für diese
Zertifizierung bürgt.“
    Steven Mbango verbeugte sich leicht. Er war Anfang
40, hager und seine Hautfarbe verriet die engen Verbindungen seiner Familie zu
den ehemaligen Kolonialherren.
    Plötzlich brach ein unerwartetes
Blitzlichtgewitter los.
    Fünf Fotografen waren im Halbdunkel auf der
anderen Seite des Saales platziert worden und auf weiteren Stühlen saßen emsig
notierende Reporter.
    Ein leichtes Lächeln machte sich auf Mbangos´
Gesicht breit, während seine Augen jedem, der darin lesen konnte, eine andere Geschichte
erzählten.
    Die Fotografen drängten nach vorn und baten um
das obligatorische Gruppenfoto mit Handschlag. Mbango überragte sie mit seinen
1,90 Meter bei Weitem und seine Körpersprache wurde immer deutlicher.
    Starnhagens Stimme übertönte Stühle rücken,
Fotografenkommandos und den abebbenden Applaus: „Mr. Mbango, einigen von Ihnen
als Vize-Chief des Nationalparks sicherlich bekannt, wird uns auf unserem Weg
begleiten.“
    Hanschke wusste nicht viel über Tantal. Nur, dass
es unverzichtbar ist, in der Mikroelektronik genauso wie im medizinischen
Gerätebau. Und dass Tantal rar ist und teuer. Über Jahre hinweg wurde es trotz
Embargo aus dem Kongo rund um die Welt geschickt, wurden Menschen dafür
abgeschlachtet, Urwälder gerodet.
    Niemand störte sich daran, bis der Bürgerkrieg
im Kongo plötzlich zum Topthema der US-amerikanischen News-Channel avancierte.
Ein einziger CNN-Übertragungswagen konnte inzwischen mehr bewirken als der
UN-Sicherheitsrat. Es folgten die Titelseiten europäischer und amerikanischer
Tageszeitungen, obwohl sich eigentlich nichts Besonderes ereignet hatte, nichts
als das seit Jahren übliche Abschlachten von Frauen und Kindern.
    Hanschke hatte seine eigene, unüberprüfte
Theorie: Wenn sich in den Nachrichtenagenturen im satten Europa oder Amerika
Langeweile ausbreitet, dann stellen die Redakteure plötzlich fest, dass in dem
einen oder anderen afrikanischen Land ein Bürgerkrieg tobt. An sich keine
Neuigkeit, weil eigentlich immer irgendwo Krieg ist. Findet sich dann aber ein
Reporter, der, versessen auf Abenteuer, bereit ist, die Strapazen einer Reise
ins Kriegsgebiet auf sich zu nehmen, dann lässt die kollektive Betroffenheit
nicht mehr lange auf sich warten. Weinende, schreiende Mütter, verwesende
Leichen – politische Beobachter packen ihre Koffer, Embargos werden verhandelt,
irgendwer fordert einen Militäreinsatz. Für die stillen Tantalimporteure ein
Fiasko. Natürlich wollte kein Kunde in einem Atemzug mit Macheten schwingenden
Killerkommandos genannt werden. Also galt es neue Nachschubwege zu finden.
Krieg hin oder her, das Zeug wurde schließlich gebraucht.
    Hanschke ließ die Tür leise ins Schloss gleiten
und schlenderte über den dicken weichen Teppich.
    „Intermining Corporation“, war es das, was Tarnowski
zu bieten hatte? Ein sauberer Weg, der preiswerten Nachschub sicherte? War dem
Russen der Handel mit Blutdiamanten zu heikel geworden? Hatte er etwa ein neues
Rohstoffhandelssystem ausgetüftelt, das illegale Zuflüsse problemlos verdaute
und am Ende legale Produkte gebar? Über jeden Zweifel erhaben? Rohstoff- statt
Geldwäsche? Und aus welchem Kral hatte er diesen Mbango gezogen? Egal.
Zumindest passten jetzt einige Puzzlesteine zusammen. Einzig die beiden toten
Frauen blieben ihm ein Rätsel.
    Als der Staatsanwalt durch die Glastür ins
Freie trat, spürte er seine Erschöpfung. Die Wolken am Abendhimmel schienen rot
zu glühen. Hanschke winkte nach einem Taxi.
    Direkt vor ihm hielt ein dunkel verglaster BMW.
Die Tür im Fonds öffnete sich, ein Mann, etwa fünfzig, kurze Haare, stieg aus.

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