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Coltan

Coltan

Titel: Coltan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Andress
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sonst harte,
niemals nachgebende Blick irrlichterte jetzt Hilfe suchend durch den Raum. Wer
ihn seit Jahren kannte, musste plötzlich glauben, einen hilflosen, älteren
Herrn vor sich zu sehen.
    Dann begann er mit der ältesten Nummer – er zog
sie beide ins Vertrauen. Spätestens jetzt konnte sich van Broiken all ihrer
unbestimmten Ahnungen sicher sein. Tarnowski als treibende Kraft hinter der
Intermining, die für die nächsten Jahre einen sicheren Zugang zum strategisch
wichtigen Tantal garantierte. Ein Projekt, das unter Starnhagens Anleitung Kontur
gewann. Deutschland brauche halt verlässliche Zugänge zu den Rohstoffquellen
dieser Welt.
    Ein stilles, aber erfolgreiches Geschäft, das
mit den zwei toten Nutten nichts, aber auch gar nichts zu tun habe. Allerdings
sei ein zufälliger Zusammenhang durch die regelmäßigen Treffen im Penthouse
hergestellt worden. Deshalb hätten sie die Ermittlungen übernommen, nicht um
einen Täter zu schützen, sondern um zu verhindern, dass ein wichtiger Politiker
in eine Mordermittlung hineingezogen wird. Es sei ihre Aufgabe, das Ansehen der
Bundesregierung zu schützen. Er redete sich in Schwung und aus dem zögerlichen
älteren wurde wieder der dozierende Herr: „Wir können und dürfen nicht
zulassen, dass eine strategisch bedeutsame Geschäftsverbindung, die nicht nur
mit Wissen, sondern auf Wunsch der Bundesregierung angebahnt wurde, ins
Zwielicht gerät. Natürlich werden wir die Mordermittlungen weiterführen. Ich
hoffe also, dass sie nicht das Gefühl hatten, wir machten uns der Strafvereitelung
schuldig. Wenn doch, so verzeihen Sie mir.“
    Ahrendt lauschte dem Klang seiner Worte. Er
suchte Blickkontakt zu Reutter, der betreten wirkte. Van Broiken krümmte den
Rücken und nestelte an ihrem Schuh. Das Misstrauen, das noch vor wenigen Minuten
den Raum erfüllt hatte, schien wie weggeblasen. Sie dienten Deutschland in
einer immer unübersichtlicher gewordenen Welt, die zwar öffentlich den Vaterländern
abzuschwören bereit war, im Inneren aber um so verbissener um die Vorherrschaft
kämpfte.
    Ahrendt fand sich überzeugend, brillant, jedem Untersuchungsausschuss
gewachsen und seinen Mitarbeitern sowieso. Was fehlte, war nur noch ein
Spritzer Emotionalität. Er hob wieder an, schwenkte um auf zögerlich, stotterte
fast: „Ich, ich hätte Sie einweihen müssen. Aber, ich … Bitte, entschuldigen Sie.“
    Dann ließ er sich erschöpft wirkend in seinen
Drehsessel fallen und sah von einem zum andern. Was für ein Finale! Er, Ahrendt
bat seine Untergebenen um Verzeihung.
    Reutter räusperte sich, spielte mit seinem
Stift und suchte betreten nach Worten.
    „Ich –"
    „Nein, nicht. Ich an Ihrer Stelle hätte mich
längst an die nächsthöhere Ebene gewandt.“
    Van Broiken beugte sich über den Tisch zu Reutter,
der unruhig in seinem Stuhl hin- und herrutschte: „Dann machen wir erstmal
weiter?“ Er nickte, glücklich fast, von ihr erlöst worden zu sein.
    Eine viertel Stunde später glitt eine CD
lautlos aus Ahrendts Computer. Dann stand er auf. Was er nicht bemerkt hatte,
war, dass van Broiken schon seit einer Weile sein Spiegelbild im
Panoramafenster beobachtete. Sie registrierte jede Bewegung, auch, dass er die
CD an sich nahm und nur die leere Hülle auf den Tisch legte.
    Reutter hatte zwar blindlings ins Schwarze
getroffen mit seinem unerwarteten Aufbegehren, aber Ahrendt war ein grandioser
Mime, dem ihr Kollege nichts entgegenzusetzen hatte. Reutter war und blieb ein
Parvenü, der hoffte, dem Alten ebenbürtig zu sein, ohne zu spüren, dass er
durch den billigsten aller Tricks zur Räson gebracht worden war: die
vermeintliche Teilhabe am großen Plan. Er fühlte sich eingeweiht, ausgezeichnet,
in den inneren Kreis aufgenommen. Eine primitive aber erfolgreiche Taktik.

71
    Mader rutschte widerwillig auf den
Beifahrersitz.
    Hanschke startete, hupte und raste im nächsten
Moment die Straße hinunter. Ich legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter.
    „Lass den Quatsch!“
    Natürlich war ihr nicht entgangen, dass
Hanschke nur zum Schein Widerstand geleistet hatte. Ich hatte mir nichts dabei
gedacht, die CDs zu kopieren und kein Wort darüber zu verlieren. Sie fühlte sich
ausgeschlossen. Mader drückte am Radio herum, bis sich endlich der ewige
Jazz-Sender meldete. Währenddessen griff unser Staatsanwalt in seine
Aktentasche, zog einen schmalen Ordner hervor und ließ ihn in Maders Schoß
fallen.
    Sie klappte den Deckel auf und begann zu lesen.
Erst schweigend,

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